Der Negativpreis „Dinosaurier des Jahres“ des Naturschutzbundes (Nabu) geht in diesem Jahr an das „Schneller-Bauen-Gesetz“ des Berliner Senats. Es stehe symbolisch für eine Politik, die eine dringend notwendige ökologische und soziale Stadtentwicklung vermeintlich schnelleren Bauvorhaben opfert, erklärte der Nabu am Montag in Berlin zur Begründung.
Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger bezeichnete das Anfang Dezember verabschiedete Gesetz als Rückschritt in die Vergangenheit. Der Erhalt von Natur sei kein Selbstzweck, sondern eine Lebensversicherung - gerade für Städte wie Berlin.
Es brauche dringend Lösungen für die Wohnungskrise in der Bundeshauptstadt, aber das Gesetz setze an den falschen Stellen an, kritisierte Krüger. Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus würden Regelungen gestrichen, die für den Klimaschutz, die Artenvielfalt und die Lebensqualität in Städten unverzichtbar seien. Stadtentwicklung habe die Aufgabe, zwischen unterschiedlichen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interessen, aber auch Belangen des Umweltschutzes und der Gesunderhaltung der Bevölkerung abzuwägen und zu vermitteln.
Krüger sprach von einseitiger Bevorzugung des Wohnungsbaus. Diese führe zwangsläufig zur Verletzung anderer, berechtigter Interessen. „Das gefährdet den sozialen Frieden“, warnte der Nabu-Präsident.
Grünflächen seien kein Luxus, sondern unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit der Städte, insbesondere angesichts der Auswirkungen der Klimakrise. Diese zeige sich auch in Berlin immer deutlicher. Viele Einwohner litten bereits unter Rekordtemperaturen, Hitze, Starkregen und Stürmen. Weitere Folgen seien schlechte Luft, abgedeckte Dächer, vollgelaufene Keller und umgestürzte Bäume.
Die Geschäftsführerin des Nabu-Landesverbandes Berlin, Melanie von Orlow, kritisierte, der Senat suggeriere mit seinem Gesetz schnelle und praktikable Lösungen, die aber Natur und Mensch über Gebühr belasten. Das Gesetz werde zu einem massiven Verlust an Stadtgrün führen, da Ersatzmaßnahmen kaum noch kontrolliert werden oder teilweise ganz entfallen. Berliner Naturinseln wie etwa der Emmauswald in Neukölln, die Moorlinse in Buch oder die Elisabeth-Aue im Norden Berlins seien dadurch akut bedroht.
Laut Orlow hat Berlin zudem noch ungenutzte Potenziale zum Bauen auf bereits versiegelten Flächen. Dadurch könnte Platz für weitere 75.000 Wohnungen geschaffen werden, ohne weitere Grünflächen zu zerstören. Doch stattdessen würden ökologisch wertvolle Flächen geopfert.
Das vom Berliner Abgeordnetenhaus Anfang Dezember beschlossene „Schneller-Bauen-Gesetz“ umfasst mehr als 100 gesetzliche Änderungen und Maßnahmen. Ziel ist es laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozesse zu beschleunigen und insbesondere den Wohnungsbau zu intensivieren.
Der Nabu vergibt den „Dinosaurier des Jahres” seit 1993. Zunächst ging der Negativpreis an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich durch besonders rückschrittliches öffentliches Engagement in Sachen Natur- und Umweltschutz hervorgetan hatten. Seit 2020 kürt der Umweltverband damit auch die “Umweltsauerei des Jahres".