
Ein Haus mit Sozialwohnungen im Münchner Stadtteil Neuhausen: Elisabeth Träder trägt in der linken Hand einen Stoffbeutel mit einem Aktenordner, mit der rechten Hand drückt die 73-Jährige am Eingang auf den Klingelknopf. Im ersten Stock öffnet Jasenka M. die Wohnungstür.
„Wir treffen uns alle zwei Wochen, jeweils am Mittwoch“, berichtet Postpatin Träder. Sie hilft seit sechs Jahren, hat elf Menschen beigestanden und deren Briefwechsel geregelt oder Anrufe etwa bei Behörden gemacht. Jetzt sitzt sie auf dem Sofa von Jasenka und öffnet einen der angekommenen Briefe. Einer enthält eine gute Nachricht, das beantragte Wohngeld wurde bewilligt. „Das ist schön“, sagt Jasenka: „Jetzt kann ich mir ein bisschen mehr leisten.“
Vor 50 Jahren ist sie aus Kroatien ausgewandert, der Arbeit wegen. Zuerst ging sie in die Schweiz, arbeitete als Hilfskraft bei einem Schokoladenhersteller. Wegen der Sprachbarriere fand sie keinen Job in ihrem eigentlichen Beruf als Stenotypistin. Mit 29 Jahren kam sie nach München, arbeitete als ungelernte Arbeiterin bei Siemens. Seit sieben Jahren wohnt sie hier in Neuhausen.
Die Hauptaufgabe: Ordnung schaffen
Dass die 75-Jährige mit einer kleinen Rente auskommen muss, macht ein Blick in die spärlich eingerichteten zwei Räume der Sozialwohnung deutlich. In dem einen Raum ist die Küche, in dem anderen steht Bett und Sofa. Auf dem Nachttisch steht ein Foto von ihrem Lebensgefährten, der schon gestorben ist. Sie lebte mit ihm zusammen in der Sozialwohnung, stand aber nicht im Mietvertrag.
Ein Problem, das Träder bereits gelöst hat. Ein Rechtsanwalt wurde eingeschaltet, der Zeugen dafür fand, dass Jasenka all die Jahre hier auch gelebt hatte. Schließlich mündete alles in einer Sonderrechtsnachfolge, wie der juristische Fachbegriff heißt, sie konnte wohnen bleiben.
Steckten früher die Briefe und amtlichen Schreiben bei Jasenka unsortiert in zwei Plastiktüten, hat sie sie jetzt auf mehrere Aktenordner aufgeteilt und thematisch eingeordnet: Nach Themen wie Wohnung, Rente, Miete. Das ist die Hauptaufgabe der Patin: Ordnung zu schaffen. Das hat sie lange Jahre beruflich gemacht. Träder hat einen Doktorgrad in Sprachwissenschaften, hat eine Zeitlang an der Universität gearbeitet und war dann lange Jahre in der Verwaltung von großen Organisationen tätig.
Soziales Engagement nachholen
Nun setzt Träder ihr Können für Senioren ein. „Ich hatte früher keine Zeit für ein soziales Engagement und möchte das nachholen“, erklärt sie So hat die Postpatin etwa einer ehemaligen Montessori-Lehrerin Ordner für Steuer, Wohnung, Vermögen angelegt. Und einem 87-Jährigen, dessen Frau gestorben war, die Ablage von wichtigen Schriftstücken der vergangenen zehn Jahre erledigt.
Hinter diesen Hilfen steht die Beratungsstelle für ältere Menschen und Angehörige des Bayerischen Roten Kreuzes in München. Dort arbeitet Markus Brucker. Er erzählt, was es mit den Postpaten auf sich hat. Brucker betreut 18 Paten, die sich wiederum um 35 Senioren kümmern. Diese Art von Patenschaften gibt es seit 2018, und das Rote Kreuz ist einer von mehreren Trägern. Auch bei der Caritas, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband oder der Diakonie gibt es Postpaten. Die Organisationen haben die Stadt nach Vierteln unter sich aufgeteilt. Es gebe genügend Menschen, die helfen wollen, sagt Brucker: „Wir hatten noch nie Schwierigkeiten gehabt, Ehrenamtliche zu finden.“
Für künftige Postpaten gibt es eine spezielle Fortbildung. An fünf Abenden werden sie in Sachen Sozialsystem, Altenhilfe, Umgang mit älteren Menschen oder Sachfragen wie Wohngeld geschult. „Man lernt dabei auch, was man nicht tun soll“, schmunzelt Träder. Zum Beispiel Einkaufen gehen oder den Müll für die Klienten runtertragen. Und die Patenschaft soll auch nicht unbedingt in eine Freundschaft münden, was natürlich möglich ist. „Es besteht die Gefahr, dass es ein zu enges Verhältnis wird“, so ihre Erfahrung.
Für Jasenka will Träder noch einen Brief nach Kroatien schreiben, an eine Bank. Denn ihre Klientin hatte dort als junge Frau ein Sparbuch. Jetzt will sie wissen, ob es das noch gibt und wie viel Geld da drauf ist.