"Reporter ohne Grenzen": Angriffe auf Journalisten verdoppelt
s:138:"Pro-Palästina-Demonstration im Oktober 2024 in Frankfurt am Main: Vor allem am Rande von Demonstrationen sind Medienschaffende in Gefahr.";
Pro-Palästina-Demonstration im Oktober 2024 in Frankfurt am Main: Vor allem am Rande von Demonstrationen sind Medienschaffende in Gefahr.
Journalistenorganisationen fordern Schutzkonzepte von der Politik
Berlin (epd).

Für das Jahr 2024 hat die Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ 89 Attacken auf Medienschaffende und Medienhäuser in Deutschland dokumentiert. Insgesamt 75 der 89 Angriffe waren körperliche Gewalttaten, wie der Bericht „Nahaufnahme 2025“ zeigt, den „Reporter ohne Grenzen“ zur Lage der Pressefreiheit in Deutschland am 8. April in Berlin veröffentlichte. Journalistenorganisationen äußerten sich besorgt und forderten die Politik auf, Medien und Medienschaffende besser zu schützen vor Angriffen.

Laut „Reporter ohne Grenzen“ verdoppelten sich mit 89 Attacken auf Medienschaffende und Medienhäuser die Angriffe im Vergleich zu 2023 (41 Angriffe). Gewalt gegenüber Journalistinnen und Journalisten sei vor allem im Brennpunkt Berlin ein Thema, wo sich 49 der bundesweit dokumentierten Fälle ereigneten, hieß es. Die meisten Übergriffe seien am Rande von Nahost-Demonstrationen gezählt worden.

Im Rest Deutschlands gerieten Medienschaffende weiterhin zumeist bei der Berichterstattung von rechtsextremen und verschwörungstheoretischen Versammlungen in Gefahr. Dort seien für das vergangene Jahr 21 Übergriffe gezählt worden, teilte „Reporter ohne Grenzen“ mit.

Wirtschaftlicher Druck gefährdet Pressefreiheit

Aber auch innerhalb der Redaktionen habe es 2024 Konflikte gegeben: Vor allem nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des terroristischen Anschlags der Hamas auf Israel, sei der Organisation immer wieder von einem „stark verengten Meinungskorridor“ bei der Arbeit zu Israel und Palästina berichtet worden. Unter anderem Auslandskorrespondenten schilderten aus den Redaktionen äußerst langwierige Kontroll- und Aushandlungsprozesse zu Begriffen, mit denen die israelische Kriegsführung kritisiert werde. Aussagen palästinensischer Quellen und von Menschenrechtsorganisationen oder den Vereinten Nationen würden grundsätzlich infrage gestellt. Viele Journalisten äußerten zudem Angst vor Bloßstellung in anderen Medien und in den sozialen Netzwerken.

Grundsätzlich halte sich die Medienvielfalt in Deutschland weiterhin auf einem international hohen Niveau, doch wirtschaftlicher Druck gefährde sie zunehmend, hieß es weiter. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ steht Deutschland auf Platz 10 von 180 Staaten. Diese wird am 3. Mai neu veröffentlicht.

„Schutzschirm für Medienschaffende“ gefordert

Mika Beuster, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, sagte auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) am Dienstag in Berlin: „Wir brauchen in mehrfacher Hinsicht einen besseren Schutzschirm für Medienschaffende: Journalisten müssen nicht nur gegen digitale Angriffe geschützt werden, sondern brauchen auch einen anlogen Schutz, wenn sie über Demonstrationen berichten. Ich erwarte, dass der Bund hier ein ganz klares Signal setzt.“

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di forderte Medienhäuser, Polizei und Politik auf, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Medienschaffenden als Teil des Koalitionsvertrages zu erarbeiten. „Diese Angriffe sind eine direkte Attacke auf die Pressefreiheit“, erklärte Danica Bensmail, dju-Bundesgeschäftsführerin. Trotz dieser Entwicklung sei bislang nicht erkennbar, dass die geplante schwarz-rote Koalition dieses Problem als politische Aufgabe anerkenne.