Nofretete trägt Sonnenbrille
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Werke von Isa Genzken im Liebieghaus
In Frankfurt treffen antike Skulpturen auf Isa Genzkens moderne Kunst
Frankfurt a.M. (epd).

Nofretete ist weiß. Nur eine Sonnenbrille mit silbernem Rahmen und dunklen Gläsern gibt dem Gipsabguss etwas Farbe. Direkt daneben zeigt die weltberühmte ägyptische Königin aus dem 14. Jahrhundert vor Christus ein gebräuntes Gesicht, rote Lippen und einen Kopfschmuck in Blau, Gelb und Rot. Zu sehen sind die Skulpturen von Isa Genzken im Liebieghaus in Frankfurt am Main zwischen Kunstwerken aus dem alten Ägypten.

Die Ausstellung „Isa Genzken meets Liebieghaus“ präsentiert 18 Werke der zeitgenössischen Künstlerin, die in einen Dialog treten mit der 5.000 Jahre umfassenden Frankfurter Sammlung, wie Philipp Demandt, Direktor der Liebieghaus Skulpturensammlung, sagt. Die Schau ist bis 31. August zu sehen.

Die Ausstellung mit Genzkens Annäherung an Nofretete zu eröffnen, „war ein selbstverständlicher Reflex“, sagt Vinzenz Brinkmann, Kurator und Leiter der Antikensammlung des Liebieghauses. Genzken greife hier die Frage nach der Farbigkeit von Figuren auf, für deren Erforschung das Liebieghaus international bekannt sei. Eine Skulptur ohne Farbfassung galt im alten Ägypten und im alten Europa als unfertig und unansehnlich. Genzkens Arbeiten stellten gesellschaftliche Ideale infrage, auch diejenigen von der Vorstellung einer marmorweißen antiken Skulptur.

Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Die Werke von Genzken, „einer der weltweit bedeutendsten Künstlerinnen“, machten im Liebieghaus die Entwicklungsgeschichte der Bildhauerei bis heute eindrücklich erfahrbar, erklärt Demandt. Die Skulpturen, Collagen und Bilder der 1948 in Bad Oldesloe geborenen Künstlerin begegnen den antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Werken der Sammlung und knüpfen eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ihre Arbeiten sind international ausgestellt, „aber nie so sinn- und beziehungsreich wie in Frankfurt“, betont Demandt.

Genzken nutzt für ihre Werke vielfältige Materialien. Unter einem kaputten rot-grünen Sonnenschirm etwa steht ein Stuhl, auf dem sie eine babygroße Puppe auf einer rosafarbenen Decke drapiert hat. Die Puppe trägt eine übergroße Brille zur mit Herzchen und Pailletten verzierten Babykleidung. In der Schau steht die Skulptur inmitten mittelalterlicher Christuskinder.

Ein „Weltempfänger“ aus Beton mit einer langen Antenne, in der Form an ein frühes Mobiltelefon erinnernd, steht im Renaissancesaal der Skulpturensammlung. Er scheint mit anderen „Weltempfängern“ Genzkens zu kommunizieren, die sie in einer Werkreihe geschaffen hat. Im Liebieghaus steht er neben einer Figur von Johannes dem Täufer.

Scheinbar spielerisch und mit leichter Hand arrangiert

Porträts aus dem 15. bis 19. Jahrhundert verwiesen zunächst auf die gesellschaftliche Bedeutung der Dargestellten, sei es ihre moralische oder religiöse Haltung oder ihr Äußeres. In der Aufklärung rückten persönliche Verdienste oder Leistungen in den Vordergrund. Zwischen solchen Büsten stehen zwei Schaufensterpuppen von Genzken. Die weibliche Puppe hat zu Füßen eine Papiertasche der hochpreisigen Marke Chanel. Werbeartikel auf dem Kopf und eine um den Hals geschlungene Markenhose kontrastieren die Nacktheit der Puppe. Die breitschultrige Version gegenüber trägt goldene Hautfarbe und Kleid.

Eine Version des Xantener Knaben, dessen Original wie die weltberühmte Büste der Nofretete im Neuen Museum in Berlin steht, hat Genzken zu einem Gegenüber für die Betrachter gemacht. Durch den Verzicht auf einen Sockel bringt sie ihn auf Augenhöhe und setzt ihm Kopfhörer auf, die mit einem CD-Player verbunden sind.

Vieles in der Ausstellung, die sich durch alle Räume zieht, wirkt spielerisch und mit leichter Hand arrangiert. Der Eindruck trügt, sagt Direktor Demandt. Die Ausstellungsmacher hätten tonnenschwere Werke bewegt, um die Begegnung zwischen Vergangenheit und Moderne zu ermöglichen.

Von Renate Haller (epd)