Ein falscher Caspar David Friedrich für den "Führer"
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Gemälde "Fischer am Meer"
Weimar (epd).

August 1939: Der deutsche Überfall auf Polen und der Beginn des Zweiten Weltkriegs stehen kurz bevor. Mit einem Runderlass beginnen die NS-Verbrechen der systematischen „Euthanasie“-Massenmorde an Behinderten und Kranken. Im gleichen Zeitraum befasst sich das NS-Regime mit dem Thema Kunst: Im August 1939 entschied Adolf Hitler per „Führer“-Runderlass, die Entnahme von Kunstwerken aus öffentlichen Sammlungen zu Geschenkzwecken zu verbieten.

Dabei hatte er selbst solche Gunstbeweise erst kurz zuvor gerne entgegengenommen. Zu seinem 50. Geburtstag am 20. April 1939 stellte ihm seine Entourage den Gabentisch reichlich mit Antiquitäten und Gemälden voll. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels schenkte zwei Spitzwegs, SS-Reichsführer Heinrich Himmler ein heute zerstörtes Bildnis des Preußenkönigs Friedrichs des Großen von Adolph von Menzel.

Hitlers „Sklavenhalter“ suchte Geschenk

Nicht mehr erreicht hat den „Führer“ dagegen ein besonderes Geschenk aus Weimar. „Schon seit Herbst 1938 hatte Thüringens Gauleiter Fritz Sauckel lange nach einem repräsentativen Geschenk für Hitler suchen lassen“, erzählt der Provenienzforscher der Museen der Klassik Stiftung Weimar, Sebastian Schlegel. Dann sei das Angebot gekommen, einen Caspar David Friedrich über eine Galerie aus „seriösem Berliner Privatbesitz“ zu erwerben.

Für Sauckel, der später für die Verschleppung von Arbeitskräften ins Deutsche Reich verantwortlich war und 1946 bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen als Hitlers „Sklavenhalter“ zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, dürfte dies ein „echter Glücksfall für seinen ehrerbietenden Gunstbeweis“ gewesen sein, vermutet die Direktorin der Museen der Klassik Stiftung Weimar, Annette Ludwig: „Denn ein Friedrich war zu der Zeit kaum noch zu bekommen.“

„Zuschreibung ist falsch“

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts war der 1774 geborene, 1840 gestorbene und dann etwas in Vergessenheit geratene Romantikmaler in Deutschland nach und nach wiederentdeckt worden. Das NS-Regime vereinnahmte ihn und sein Werk schließlich für seine Ideologie. Er wurde zum Sinnbild des nordisch-arischen Künstlers verklärt.

Doch die Verhandlungen zogen sich hin. Als das Gemälde, das einen auf das Meer schauenden Fischer in Rückenansicht zeigt, schließlich für eine von Sauckel geführte parteieigene Stiftung angekauft wurde, war Hitlers 50. Geburtstag vorbei. Der „Fischer am Meer“ wanderte in Sauckels Dienstsitz, kam zum Kriegsende in ein Depot und danach in den Bestand der Weimarer Kunstsammlungen.

Schlegel hat Geschichte des Werks und Umstände des Kaufs für die Ausstellung „Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar“, die ab Freitag gezeigt wird, detailliert untersucht. „Das unsignierte Bild stammt wohl aus dem 19. Jahrhundert, doch die Zuschreibung ist falsch“, sagt er. Es sei mitnichten ein echter Friedrich. Nachweislich falsche Angaben zur angeblichen Herkunft und auch materialtechnische Untersuchungen hätten dies bestätigt.

Frühe Zweifel

Erste Zweifel an der Echtheit des Gemäldes „Fischer am Meer“ hatte schon 1939 der damalige Leiter der Weimarer Kunstsammlungen, Walther Scheidig, geäußert. Er wurde offenbar regelmäßig zurate gezogen, wenn Gemälde aus Weimar an den „Führer“ geschickt wurden. So besorgte Scheidig ebenfalls vor Hitlers 50. Geburtstag eine Venusdarstellung von Lukas Cranach dem Älteren, die aus der Weimarer Sammlung stammte. Seit 1945 ist das Werk verschollen. Auch am Erwerb des Gemäldes „Bildnis der Luise Perthes“ von Philipp Otto Runge aus Jenaer Privatbesitz 1941 war Scheidig beteiligt. Die Reichskanzlei retournierte das Geschenk an Hitler jedoch.

Die Ausstellung zeigt nun den falschen Caspar David Friedrich sehr bewusst. „Das Beispiel zeigt, wie wichtig Provenienzforschung ist“, sagt Annette Ludwig. Gerade im Kontext von Unrechtssystemen zeige es, welchen Spannungen Kunstsachverständige ausgesetzt gewesen seien. Scheidig habe Verantwortung für die Weimarer Sammlung getragen. Gefragt werde daher auch danach, ob er sich den Aufträgen hätte verschließen können, betont Ludwig: „Der Diebstahl von Kunstwerken war an der Tagesordnung, ebenso wie die Instrumentalisierung von Künstlern.“

Von Matthias Thüsing (epd)