Auftragswerke mit Kritik
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Kurator Paul Kaiser (l.) in der Ausstellung "Sonnensucher - Kunst und Bergbau der Wismut"
Ausstellung "Sonnensucher" zeigt DDR-Kunst
Zwickau (epd).

Ein Kind hält seinen Eltern eine strahlend gelbe Sonne entgegen. Mutter und Vater, in Grau gekleidet, schauen eher verhalten optimistisch. Das Gesicht des Mannes ist von Falten gezeichnet. Doch die Sonne soll für eine helle Zukunft stehen. Die Familien-Szene ist Teil eines 13 Meter langen Wandbildes von Kurt Hanf (1912-1987), das er in den Jahren 1972 und 1973 für das DDR-Bergbauunternehmen Wismut schuf. Es trägt den Titel „Sonne in Menschenhänden“.

Nun ist das Werk zusammen mit weiteren weit mehr als 200 Arbeiten in der Ausstellung „Sonnensucher. Kunst und Bergbau der Wismut“ in der historischen Baumwollspinnerei in Zwickau zu sehen. Es ist eines von zwei Wandbildern, die laut Kurator Paul Kaiser als Neuentdeckung gelten und erstmals wieder öffentlich gezeigt werden. Hanf schuf die meterlangen Auftragswerke einst für Kultursäle an den Wismut-Standorten Schmirchau und Seelingstädt in Thüringen.

Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft war „Staat im Staate“

Die Ausstellung zu DDR-Kunst anlässlich des Kulturhauptstadtjahres Chemnitz 2025 vereint Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, aber auch Fotos, Filmmaterial und Dokumente. Sie gibt bis zum 10. August einen Einblick in die mit insgesamt mehr als 4.000 Werken von 475 Künstlerinnen und Künstlern umfangreichste Kunstsammlung eines DDR-Unternehmens. Zuletzt waren Exponate der Wismut-Sammlung 2013 und 2014 in Gera und Chemnitz zu sehen.

Im Kalten Krieg lieferte die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut, heute Wismut GmbH, aus Westsachsen und Ostthüringen das Material für waffenfähiges Uran der Sowjetunion. Zugleich sei sie ein legendärer „Staat im Staate“ gewesen, sagt Kaiser. Das Unternehmen sammelte zwischen 1950 und 1990 in großem Stil bildende Kunst. Im Zentrum stand der arbeitende Mensch und das bergmännische Leben.

„Rebellischer Querschnitt“

In Zwickau sind vor allem Porträts von Bergleuten, Unter-Tage-Bilder, Alltagsszenen und Landschaften im Wandel zu sehen. Kaiser betont, die Künstler seien längst nicht alle auf Parteilinie gewesen, die Wismut habe dies akzeptiert. Das Unternehmen habe „schwierige Charaktere, Widersprüche und kantige Gestalten“ zugelassen.

„All das spiegelt sich in diesen Bildwelten“, sagt Kaiser. So gesehen sei die Schau ein „rebellischer Querschnitt“. Zu sehen sind unter anderem Werke von Werner Petzold (1940-2023), Eva Schulze-Knabe (1907-1976), Viktor Makejew (1925-1985) und Werner Tübke (1929-2004).

Die Künstlerinnen und Künstler seien nah an den Bergarbeitern gewesen, sagt Kaiser. Viele von ihnen waren auch selbst unter Tage. Ihre Bilder seien von großer Intensität und Authentizität. Auftragswerke der Wismut seien durchaus lukrativ gewesen. Ein mittelgroßes Bild wurde dem Kurator zufolge mit etwa 5.000 bis 6.000 DDR-Mark honoriert.

Sonne steht symbolisch für Uranerz

Kaiser, der Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien ist, versteht die Ausstellung auch als ein Plädoyer dafür, aktuelle Themen im „scheinbar Historischen“ zu erkennen. Als Beispiele nennt er die Arbeitswelt oder die umstrittene Nutzung der Atomkraft.

Die Geschäftsführerin der Wismut Stiftung gGmbH, Julia Dünkel, sagt: „Es gibt vielfältige Anknüpfungspunkte und thematische Bezüge.“ Die Ausstellung biete eine hervorragende Möglichkeit, DDR-Geschichte generationenübergreifend zu reflektieren. Sie wünsche sich „vielfältige Fragen an diesen Teil der ostdeutschen Vergangenheit“.

Die Sonne ist in vielen Bildern ein Hauptmotiv. Laut Kaiser steht sie symbolisch für das Uranerz, das aus der Erde ans Tageslicht gebracht wurde. Sie sei aber auch ein Synonym „für das utopische Potenzial des Staates“. Es gebe aber „keineswegs nur Jubelbilder“, sondern zum Beispiel mit den gemalten zerstörten Landschaften eine „melancholische Untergangsstimmung“. Trotz offizieller Aufträge hätten sich die Künstler häufig nicht an kulturpolitische Vorgaben gehalten.

Namensgeber der Zwickauer Ausstellung ist der in der DDR zunächst verbotene Film „Sonnensucher“, der eine realistische Sicht auf die repressiven Anfangsjahre des Uranbergbaus der Wismut gibt. Der DEFA-Streifen in der Regie von Konrad Wolf (1925-1982) wurde 1958 fertiggestellt, wegen seiner kritischen Darstellung aber erst 1972 veröffentlicht.

Von Katharina Rögner (epd)