Theologe Huber plädiert für mehr Realismus in der Friedensethik
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Wolfgang Huber
Berlin (epd).

Der Berliner Theologe und Ethiker Wolfgang Huber wünscht sich angesichts der anhaltenden Bedrohung Europas infolge des Ukrainekriegs eine realistische Auseinandersetzung mit den Folgen von Gewalt in der evangelischen Friedensethik. „Auch die Kirche muss bereit sein, sich mit den konkreten Auswirkungen kriegerischer Gewalt auseinanderzusetzen“, sagte Huber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er wisse aus eigener Erfahrung, wie schwer es bei dem Thema falle, realistisch zu sein und trotzdem die Hoffnung nicht aufzugeben.

Für die Kirche sei der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die Sicherheitspolitik eine ernste Herausforderung: „Sie muss weiterhin den Vorrang des Friedens betonen, darf dabei aber die Realität, wie sie sich besonders herausfordernd im Ukrainekrieg zeigt, nicht ausblenden“, sagte Huber. „Vielleicht hätten wir nie denken dürfen, alles sei in Ordnung. Denn nun müssen wir zugeben, dass unser Friedensdenken auch von Illusionen geprägt war.“

„Gezwungen, uns der Realität zu stellen“

Huber war Präsident des Kirchentags 1985 in Düsseldorf. Verglichen mit jenen Jahren habe die Friedensethik es heute schwer. „Sie kann nicht einfach wiederholen, was damals richtig war und sich in Slogans wie 'Frieden schaffen ohne Waffen' oder 'Schwerter zu Pflugscharen' ausdrückte“, sagte Huber. „Jetzt sehen wir uns gezwungen, uns der Realität zu stellen - und sind verunsichert, wie sich diese Erkenntnisse zu unseren bisherigen Überzeugungen verhalten.“

Für ihn bleibe der Vorrang des Friedens zentral, betonte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Aber dieser Vorrang bedeute auch, sich mit kriegerischer Gewalt ernsthaft auseinanderzusetzen, und zugleich intensiv über die Möglichkeiten zur Beendigung derartiger Gewalt nachzudenken.

Friedensveranwortung

Er wünsche sich, dass mehr Menschen die aktuelle Situation unter der Perspektive der Friedensverantwortung betrachten. „Es geht nicht nur um militärische Sicherheit, sondern auch um politische und gesellschaftliche Friedensarbeit. Das ist eben nicht nur die Aufgabe von Politikern - es ist auch unsere Verantwortung“, appellierte der frühere Berliner Bischof.

epd-Gespräch: Franziska Hein