Leitende Kirchenvertreter haben an die am Reformationstag vor 25 Jahren in Augsburg von Vatikan und Lutheranern verabschiedete „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ erinnert. Die Erklärung sei „Ansporn, auch in weiteren zentralen Fragen, wie etwa der gegenseitigen Anerkennung der kirchlichen Ämter und der gemeinsamen Feier der Eucharistie respektive des Abendmahls weiter voranzukommen“, erklärte am 29. Oktober der neue Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bayerns Landesbischof Christian Kopp.
Auch die Anglikanische Gemeinschaft, der Weltrat Methodistischer Kirchen sowie die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen haben sich mittlerweile der Erklärung angeschlossen. Dies würdigte die Generalsekretärin des Lutherischen Weltbundes (LWB), die estnische Pfarrerin Anne Burghardt: „Was als Bekenntnis von Lutheranern und Katholiken zu unserem gemeinsamen Fundament der Gnade und des Glaubens begann, hat sich zwischenzeitlich auf Methodisten, Reformierte und Anglikaner ausgeweitet. Wir sind vereint in dem Ziel, Christus in allen Dingen zu bekennen.“ Der LWB repräsentiert 150 Mitgliedskirchen mit mehr als 78 Millionen Menschen.
„Zeichen gelingender Versöhnung“
Die Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des LWB und stellvertretende leitende Geistliche der VELKD, Nordkirchen-Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, bezeichnete die Erklärung als „ein Zeichen des Friedens und gelingender Versöhnung inmitten einer Welt, die unter Kriegen und vielfältigen Formen von Gewalt und Polarisierungen leidet, die die Menschheitsfamilie spalten“.
Am Reformationstag 1999 wurde in der Pfarrkirche St. Anna zu Augsburg nach jahrelangen Verhandlungen die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (GER) von dem damaligen Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Edward Idris Cassidy, und dem damaligen Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Landesbischof Christian Krause, unterzeichnet. Damit hoben Protestanten und Katholiken ihre jahrhundertealten gegenseitigen Lehrverurteilungen zur Rechtfertigungslehre auf und bekundeten einen „Konsens in Grundwahrheiten“.
Dokument ohne praktische Auswirkungen
Die Gemeinsame Erklärung gilt bis heute als das einzige ökumenische Konsensdokument in der westlichen Kirche, das offiziell anerkannt und bestätigt wurde. Praktische Auswirkungen im kirchlichen Leben gibt es bislang allerdings nicht.
Der Streit um die aus der Bibel abgeleitete Lehre von der Rechtfertigung spaltete am Ende des Mittelalters die Christen in Europa. Dabei ging es um das Zentrum ihres Glaubens: Wie bringt der Mensch sein Verhältnis zu Gott in Ordnung? Wie findet ein sündiger Mensch Gnade vor Gott? Katholiken und Protestanten beantworteten diese Fragen unterschiedlich und gingen seit dem 16. Jahrhundert getrennte Wege. Vor allem mit der Rechtfertigungslehre grenzten sich beide Kirchen rund 500 Jahre lang voneinander ab.