
Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen runden Geburtstag. Am 3. März wurde Tedros Adhanom Ghebreyesus 60 Jahre alt. Doch dem Jubilar dürfte nicht zum Feiern zumute sein. Denn der angeordnete Auszug der USA aus der WHO stürzt die Organisation in die schwerste Krise seit ihrer Gründung 1948. Als „katastrophal“ bezeichnet das angesehene Gesundheitsfachmagazin „The Lancet “ die aktuelle Lage der WHO.
Seit US-Präsident Donald Trump den Rückzug an seinem ersten Tag im Amt, am 20. Januar, anordnete, herrscht bei der WHO-Belegschaft eine Schockstarre. Viele der 7.000 Angestellten und Mitarbeiter bangen um ihren Job und blicken sorgenvoll in die Zukunft.
Dramatische Auswirkungen befürchtet
Der Abschied des größten Geldgebers der WHO und wichtigsten Impulsgebers dürfte auch dramatische Auswirkungen für Menschen in armen Regionen haben. Der amerikanische Gesundheitsjurist Larry Gostin kommentiert: Der „Rückzug ist eine schwere Wunde für die die öffentliche Gesundheit in der Welt.“
Der WHO-Generaldirektor gibt derweil Durchhalteparolen aus: „Wir bedauern diese Entscheidung und hoffen, dass die USA sie noch einmal überdenken werden“, betont Tedros. Er will „die historischen Beziehungen zwischen der WHO und den USA erhalten, die zu bedeutenden Erfolgen wie der Ausrottung der Pocken geführt haben“.
Doch ein Umdenken der Trump-Regierung ist praktisch ausgeschlossen. Denn die WHO gehört seit der Corona-Pandemie zu Trumps Lieblingsfeinden. Trumps Gesundheitsminister, der Impfgegner Robert F. Kennedy Jr., dürfte die Abneigung seines Chefs gegen die WHO teilen. „Das ist eine große Sache“, kommentierte Trump sein eigenes Austrittsdekret. Der gesamte Austrittsprozess dauert ein Jahr.
Brücken zur WHO eingerissen
Inzwischen hat das Trump-Team fast alle Brücken zur WHO eingerissen: Sämtliche US-Regierungsangestellten wurden aus der Genfer Zentrale abgezogen, den US-Gesundheitsbehörden ist jeder offizielle Kontakt mit der UN-Sonderorganisation verboten und Washington überweist derzeit keinen einzigen Dollar in die WHO-Kasse. Eigentlich müssten die USA für das Zweijahresbudget 2024 und 2025 Pflichtbeiträge von 260 Millionen US-Dollar überweisen und sie hatten freiwilligen Zuwendungen von rund 700 Millionen US-Dollar zugesagt.
Trump wirft der WHO mehrere krasse Fehlleistungen vor: den ungenügenden „Umgang der Organisation mit der Covid-19-Pandemie, die in Wuhan, China, ausbrach, und anderen globalen Gesundheitskrisen“. Zudem prangert Trump ein Versagen bei der Verabschiedung von Reformen an, und er bemängelt den politischen Einfluss Chinas auf die WHO. Letztlich zahlten die USA zu viel Geld an die WHO - besonders im Vergleich zu China. Tedros weist die Anschuldigungen zurück und pocht darauf, dass er die schwerfällige WHO schlanker und schlagkräftiger gemacht habe.
Einstellungsstopp
Ohne die üppigen US-Gelder muss die WHO „den Gürtel enger schnallen“, erklärt eine Sprecherin der Organisation. So gibt es vorläufig so gut wie keine Neueinstellungen, Reisekosten sollen stark sinken, Beschaffungsverträge werden neu verhandelt und Investitionen minimiert. Doch es drohen auch die Stilllegung ganzer Abteilungen und Kürzungen bei Programmen gegen Malaria, Tuberkulose, Mpox, Marburg-Fieber und andere schwere Krankheiten.
Einen bitteren Vorgeschmack auf das drohende Ungemach erhalten schon jetzt viele Menschen im kriegsverwüsteten Gaza-Streifen und im Westjordanland. Dort fehlen der WHO rund 46 Millionen US-Dollar an US-Hilfsgeldern, die Trumps Regierung eingefroren hat. Die Folge: „Sechs kritische Bereiche sind unterfinanziert“, erklärt Rik Peeperkorn, der WHO-Beauftragte für die besetzten palästinensischen Gebiete. Auf dem Spiel stehen der Wiederaufbau zerstörter Krankenhäuser und die Verlegung verletzter Kinder in funktionierende Hospitäler.
Die Gesundheitsexpertin Ilona Kickbusch befürchtet auch drastische politische Konsequenzen bei der WHO, die eine Koordinierungsfunktion im globalen Kampf gegen Krankheiten und Seuchen ausübt. Ohne die USA drohe ein „Führungsvakuum“ bei der WHO. Eine „Aushöhlung“ der WHO könnte sich als verhängnisvoll erweisen: Zumal im Falle einer neuen Pandemie.