Wenn es regnet, bekommt Takemore Mufuya Angst. Jedes Mal, wenn sie das Trommeln auf dem Dach ihres Hauses hört, durchlebt sie die schlimmste Nacht ihres Lebens erneut. Diese Märznacht vor fünf Jahren. Als es nicht aufhörte zu regnen, die Blitze alle Zimmer hell erleuchteten und die Nachbarn gegen die Tür hämmerten, um sie und ihre Familie vor den Fluten zu warnen. Als sie Hand in Hand mit ihrem Mann durch die schlammigen Fluten watete, ihren jüngsten Sohn auf dem Rücken. Bis sich ihre Hände lösten und sie davontrieb.
Im März 2019 Jahren wütete der Zyklon Idai in den südostafrikanischen Ländern Mosambik, Malawi und Simbabwe. Allein in Simbabwe kamen laut einem Bericht der Weltbank über 344 Menschen ums Leben, es gab 257 Vermisste und rund 60.000 Menschen wurden vertrieben. Die Wassermassen haben Häuser, Brücken und Straßen zerstört. Die Weltbank beziffert den entstandenen Schaden mit mehr als 600 Millionen US-Dollar. Doch den persönlichen Schaden, den der Wirbelsturm für Überlebende wie Takemore Mufuya angerichtet hat, kann man nur schwer in Zahlen fassen.
„Es tut weh, zurückzukommen“
Die Region Chimanimani im Osten Simbabwes hat es besonders hart getroffen. Aufgrund der Nähe zum Küstenstaat Mosambik und der bergigen Landschaft treten Extremwetterereignisse wie Zyklone dort häufiger auf. Dort, wo einmal Mufuyas Haus stand, türmen sich jetzt große Felsbrocken auf. Überreste der mächtigen Erdrutsche, die einen Teil des Dorfes Kopa unter sich begruben. „Es tut weh, an diese Stelle zurückzukommen. Ich habe immer meine Familie vor Augen“, sagt die 41-Jährige leise. Ihr Mann Brain und ihr jüngster Sohn Blessing sind in den Fluten umgekommen.
Eine Entschädigung hat Mufuya nie bekommen. Zwei Jahre lebte sie mit ihren überlebenden zwei Söhnen in einem Zelt. Mithilfe der Kirche und Freunden, die ihr Geld liehen, konnte sie sich ein neues Haus bauen. Heute versucht Mufuya über die Runden zu kommen, indem sie auf dem Markt in der Mitte des Dorfes Secondhand-Kleidung aus der Hauptstadt Harare verkauft. Oft ist das Geld knapp, nur mit Mühe schafft sie es, die Schulgebühren für ihren 16-jährigen Sohn aufzubringen.
Hoffen auf UN-Fonds
Für Länder wie Simbabwe ist es aufgrund der großen Armut und Wirtschaftskrise fast unmöglich, die Klimaschäden aus eigener Staatskasse zu bezahlen. Zwar arbeitet die Regierung derzeit an Richtlinien, wie sie künftig betroffenen Gemeinden schneller helfen will, aber dafür fehlt es an Geld. Deshalb liegt ihre Hoffnung vor allem auf dem sogenannten Fonds für Schäden und Verluste („Loss and Damage Fund“), der im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen eingerichtet wurde. „Wir brauchen diesen Fonds so schnell wie möglich“, sagte ein Sprecher des simbabwischen Umweltministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Jetzt gibt es Hoffnung für Länder wie Simbabwe. Der Fonds sei bereit, Beiträge anzunehmen, erklärte am Dienstag die Präsidentschaft der Klimakonferenz in Baku. Der Fonds soll ab 2025 bereits Projekte finanzieren. Die finanzielle Unterstützung war jahrelang von Entwicklungsländern gefordert worden. Aus dem Topf sollen besonders verletzliche Entwicklungsländer Geld abrufen können, wenn sie von Extremwetterereignissen wie Stürmen, Fluten oder Dürren getroffen werden.
Neue Häuser verlost
Ein Beispiel, wofür die Gelder aus dem Fonds künftig verwendet werden könnten, liegt zwei Autostunden von Chimanimani entfernt. Eine staubige Straße führt in die Siedlung Runyararo. Anders als im grünen Chimanimani wachsen nur dornige Büsche am Wegesrand. Hier lebt Kuda Ndima im Haus Nummer 404. Das Steinhaus mit den vier Zimmern und dem großen Garten wurde ihr zugelost. Die Regierung hat gemeinsam mit internationalen Gebern den Bau der rund 150 Häuser für Überlebende des Zyklons ermöglicht. Ndima, die ursprünglich aus Chimanimani stammt, ist dankbar für ihren neuen Wohnort. „Hier bin ich sicher“, sagt sie.
Die Siedlung Runyararo soll eigentlich ein Vorzeigeprojekt für den Umgang mit den Idai-Überlebenden sein. Das für die Umsiedlung vorgesehene Gebiet gilt aus geologischer Sicht als sicher vor einem Zyklon wie dem in Chimanimani. Dafür haben die Menschen hier mit einem anderen Extremwettereignis zu kämpfen.
Monatelange Dürre
Seit Monaten leidet Simbabwe unter einer extremen Dürre. Diese ist eine Folge des Klimaphänomens El Niño, das im äquatorialen Pazifik auftritt und zuletzt zu einer langanhaltenden Trockenheit geführt hat. Aufgrund des enormen Ernteausfalls hat die Regierung bereits im Juni den Notstand ausgerufen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung leidet unter Hunger oder unzureichender Ernährung.
Auch in Runyararo ist der Wasserzugang in der Siedlung rationiert. In Ndimas Garten wachsen nur ein paar Zwiebeln und Bohnen. Den Maismehlbrei, den sie ihrer zweijährigen Tochter morgens füttert, erhält sie aus Lebensmittelspenden. Nicht nur Ndimas Garten, auch das graue Steinhaus ist fast leer. In einem der Zimmer hält Ndima ein paar Hühner, um sie vor den wilden Pavianen zu schützen. Sie würde gerne mehr Hühner züchten und auf dem Markt verkaufen. Aber für das Futter fehlt es an Geld. „Es reicht einfach nicht“, sagt Kuda Ndima kraftlos. Sie ist erschöpft. Seit der furchtbaren Märznacht vor fünf Jahren ist sie im Überlebensmodus.