Schlecht bezahlte Helden
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Willis Odhiambo (r.) untersucht die neun Monate alte Tochter von Bernard Odida.
In Kenia gleichen Ehrenamtliche die Mängel im Gesundheitswesen aus
Nairobi (epd).

Wenn Willis Odhiambo morgens zu seinen Hausbesuchen aufbricht, dann ist das hohe Gras noch nass vom Morgentau. Als „Community Health Promoter“ ist der Kenianer so etwas wie ein ehrenamtlicher Gesundheitshelfer. Jeden Monat besucht er die 115 Haushalte, denen er zugeordnet ist und die zwischen Maisfeldern und Eukalyptusbäumen verstreut sind. An diesem Morgen ist sein erster Halt bei Bernard Odida und dessen neun Monate altem Baby.

Odhiambo stellt ein paar Fragen zur Gesundheit des kleinen Mädchens und misst den Umfang des Oberarms, um zu prüfen, ob sie gut ernährt ist. Im Gesundheitsbuch sieht er nach, ob das Kind zu den regelmäßigen Untersuchungen gebracht wird.

„Ich bin stolz auf meine Arbeit, sie macht mir Spaß“, sagt Odhiambo, der gerne Krankenpfleger geworden wäre, hätte das Geld für eine Ausbildung gereicht. Seit zehn Jahren macht der 39-Jährige Hausbesuche im Westen von Kenia nahe dem Victoriasee.

Sinkende Tuberkulosezahlen

2014 hatte die Regierung erstmals eine nationale Community Health Strategie ins Leben gerufen, aufgebaut wurden die Strukturen dann zum größten Teil von Hilfsorganisationen wie Amref Health Africa oder „Save the Children“. Im vergangenen Herbst hat die Regierung die Freiwilligen gesetzlich als Teil des Gesundheitswesens anerkannt. Sie bekommen damit seit Anfang des Jahres für ihre Arbeit auch ein wenig Geld, umgerechnet etwa 35 Euro pro Monat.

Die Freiwilligen sollen das Gesundheitssystem unterstützen. Die Ehrenamtlichen klären bei den Hausbesuchen über Anzeichen von Erkrankungen auf und können erste Tests vornehmen und die Patienten an das nächste Krankenhaus vermitteln. Auch dank ihrer Arbeit sinken die Kindersterblichkeit, die HIV-Ansteckungsrate und die Tuberkulosezahlen immer weiter.

Kenia ist damit ein Vorreiter und kann Vorbild für andere Länder werden, die ein ähnlich überlastetes und unterfinanziertes Gesundheitssystem haben. Doch freiwillige Helfer wie Odhiambo sehen auch die Schwachstellen. Die Bezahlung etwa deckt aufs Jahr gerechnet nicht einmal die Schulgebühren für ein Kind ab. „Das ist nicht genug“, sagt Odhiambo. Bei der Ausstattung hapert es ebenfalls. Zwar haben alle der knapp 110.000 offiziell registrierten Gesundheitshelfer vor einigen Monaten ein Smartphone bekommen, ebenso wie einen Rucksack mit Blutdruck- und Diabetes-Test-Geräten sowie Malaria-Tests und Medikamente. Doch der Vorrat sei aufgebraucht, sagt Odhiambo.

Regierung fehlt Geld

Im Krankenhaus der Kleinstadt Ndhiwa, wo die Freiwilligen angebunden sind, sieht man die Verantwortung bei der Regierung. Sie hätten keinen Nachschub von Kemsa, der Behörde für medizinische Versorgung, bekommen, erklärt Oscar Okoth, der für die Betreuung der Ehrenamtlichen verantwortlich ist.

Tatsächlich ist der finanzielle Spielraum der kenianischen Regierung eingeschränkt, unter anderem wegen der hohen Staatsschulden. Beim Globalen Fonds, einer Initiative zur Stärkung von Gesundheitssystem im Globalen Süden, hat sich die Regierung Fördergelder gesichert, unter anderem um die Versorgung der Freiwilligen mit Materialien bis 2027 zu gewährleisten.

Derweil besucht Willis Odhiambo an diesem Morgen als Nächstes das Zuhause von Joyce Odugi, einer Mutter von drei Kindern. Malaria ist eine der Krankheiten, die hier immer wieder auftreten. Die Tests seien deshalb eine große Erleichterung gewesen, sagt Odugi. Den Freiwilligen Odhiambo anzurufen sei viel einfacher, als eine halbe Stunde ins Krankenhaus zu laufen, wo sie dafür bezahlen muss.

Expertin: Keine Alternative zum Ausbau des Gesundheitssystems

Die Direktorin des Afrikanischen Instituts für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung, Catherine Kyobutungi, sieht in den Ehrenamtlichen eine sinnvolle Ergänzung. Sie seien aber keine Alternative zum Ausbau des professionellen Gesundheitssystems, sagt sie.

Neben der geringen Ärztedichte ist die mangelnde Absicherung vieler Menschen ein Problem. Nur etwa ein Viertel der kenianischen Bevölkerung ist durch öffentliche oder private Angebote krankenversichert. Oft sind es Menschen, die feste Jobs in der Privatwirtschaft haben oder für die Regierung arbeiten. In der Region rund um Ndhiwa lebt der Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Viele vermeiden Besuche im Krankenhaus, weil das Geld knapp ist.

Odhiambo ermutigt sie, sich Hilfe zu suchen und informiert sie, wenn es an bestimmten Tagen kostenlose Angebote gibt, zum Beispiel für Familienplanung. „Ich möchte der Gemeinschaft helfen, den Leuten, die sich mit dem Gesundheitssystem nicht auskennen“, sagt er.

(Diese Recherche wurde vom European Journalism Centre im Rahmen des Solutions Journalism Accelerator unterstützt. Dieses Programm wird von der Bill & Melinda Gates Foundation finanziert.)

 

Von Birte Mensing (epd)