Bevor es um den weltweiten Klimaschutz geht, kommen die Bagger. Eine Schneise wird in den brasilianischen Regenwald geschlagen und der Lehmboden planiert. Die 13 Kilometer lange „Avenida Liberdade“ soll bis zur 30. UN-Klimakonferenz (COP 30) in der Amazonas-Metropole Belém fertig sein.
Die Straße soll die Teilnehmer im November schnell von einem zum anderen Ende der Stadt bringen. Jedoch verläuft ein Teil der vierspurigen Straße durch den geschützten Regenwald. Auch das Kongresszentrum für die zweiwöchige Zusammenkunft ist noch nicht fertig. Doch am meisten Kopfzerbrechen bereiten die fehlenden Unterkünfte. Zwar werden noch Hotels errichtet, doch ist unklar, wie die etwa 50.000 erwarteten Gäste untergebracht werden können.
Belém, die Hauptstadt des Amazonas-Bundesstaates Pará, ist rund acht Monate vor dem UN-Klimagipfel eine riesige Baustelle. Politiker versprechen eine „urbane Revolution“ und die Modernisierung der ganzen Stadt. Doch Anwohner und Umweltschützer sind skeptisch.
Bis zu 10.000 Euro für eine Wohnung - täglich
Die Millionenstadt verfügt über 24.000 Betten aller Standards. Es gibt aber nur drei Luxushotels, wo Staatsgäste untergebracht werden können. Die Vermietung von Zimmern und Wohnungen über eine Online-Plattform soll weitere rund 11.000 Betten bringen. Dort gibt es allerdings Ärger wegen der horrenden Preise. Umgerechnet bis zu 10.000 Euro pro Tag verlangen private Anbieter für eine Wohnung.
Außerdem will die Stadt während des Gipfels 17 Schulen in Hostels für rund 5.000 Delegierte umwandeln. Auch das Militär will Unterkünfte bereitstellen. Auf zentralen Plätzen sollen zudem klimatisierte Zelte aufgestellt werden. Die Regierung plant sogar, Kreuzfahrtschiffe in Outero, etwa 20 Kilometer von Belém entfernt, anlegen zu lassen - was bei Umweltschützern aufgrund der hohen Treibhausgasemissionen für Empörung sorgt.
Als Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva jüngst auf die fehlenden Unterkünfte angesprochen wurde, sagte er vor Journalisten, dass die Menschen im schlimmsten Fall „unter freiem Himmel unter den Sternen“ nächtigen müssten. Auf jeden Fall werde es der beste Umweltgipfel aller Zeiten. Erstmals werde nicht nur über den Amazonas gesprochen, sondern der Gipfel finde in dem Gebiet statt.
Lula versprach, dass alle Investitionen für den Gipfel nachhaltig und keine „Scheinlösungen“ seien. Rund 30 Bauprojekte mit einem Volumen von umgerechnet rund 210 Millionen Euro sollen bis November fertiggestellt werden.
Eine der ärmsten Großstädte Brasiliens
Dazu gehören auch Bauten für ein Abwassersystem. Denn Belém gehört zu den ärmsten Großstädten in Brasilien. Rund die Hälfte der rund 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner lebt in Armenvierteln. Etwa 80 Prozent der Häuser sind an kein Abwassersystem angeschlossen. Stattdessen gibt es offene, stinkende Kanäle mit dreckigem Wasser und Müllberge. Während der Regenzeit kommt es regelmäßig zu Überschwemmungen.
Trotzdem wollte Lula den Gipfel in Belém. Bei Amtsantritt vor rund zwei Jahren versprach er, die illegale Abholzung des Amazonas-Regenwalds, der für das Klimasystem eine entscheidende Rolle spielt, bis 2030 komplett zu stoppen. Unter seinem rechtsextremen Vorgänger Jair Bolsonaro (2019 bis 2023) war die Vernichtung des Regenwalds um etwa 70 Prozent gestiegen. Tatsächlich kann die Regierung unter Lula auf erste Erfolge verweisen. Im vergangenen Jahr ging die illegale Abholzung laut staatlichem Weltrauminstitut Inpe um etwa 30 Prozent zurück.
Fossile Projekte in der Amazonas-Region
Doch zugleich treibt Lula wie in seiner ersten Amtszeit (2003 - 2010) Megaprojekte in der Amazonas-Region voran. Er will die Erdöl- und Erdgasförderung ausweiten, auch im Mündungsbecken des Amazonas-Flusses. Von mehreren Milliarden Barrel ist die Rede. Zunächst verweigerte die brasilianische Umweltbehörde Ibama die Zustimmung aus Sorge, dass bei einem Leck die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt vernichtet werden könnte. Doch auf Druck der Regierung gab die Behörde nach und erteilte eine Lizenz für die Bohrungen.
Einen Widerspruch zwischen der Förderung von fossilen Brennstoffen und den Klimazielen des Landes sieht Lula nicht. Bei seinem Besuch in Belém im Februar protestierten zahlreiche Umweltschützer gegen das Erdöl-Vorhaben. Sie passen nicht ins Bild des klimafreundlichen Gipfels, das Brasiliens Regierung gern ins Ausland sendet.