
Begeistert kicken Jungen und ein paar Mädchen einen Fußball über den staubigen Platz. Rundherum stehen Hütten aus Wellblech, Plastikplanen und Stoff. Der allgegenwärtige Müll scheint die Kinder in Faladié, einem Flüchtlingslager am Rand der malischen Hauptstadt Bamako, nicht zu stören. Das Kicken ist hier eines ihrer wenigen Vergnügen.
Nach Schätzungen einer lokalen Hilfsorganisation leben in Faladié bis zu 4.000 Menschen. Das Gelände war früher eine informelle Mülldeponie und dient heute als Viehmarkt. Dazwischen versuchen die Menschen zu überleben, die vor der islamistischen und ethnisch motivierten Gewalt im Zentrum Malis geflohen sind.
Seit drei Jahren keine Nachrichten mehr von zu Hause
Die 60-jährige Djeneba Diallo ist vor drei Jahren mit ihrem einzigen Sohn aus einem Dorf in der Region Mopti nach Bamako gekommen. „Ich musste zum Augenarzt, als wir zurückwollten, war unser Dorf abgeriegelt“, erzählt sie. Das hätten ihre Verwandten am Telefon erzählt. Sie weiß nicht, ob Islamisten oder das Militär das rund 800 Kilometer von der Hauptstadt entfernte Dorf kontrollieren. Kurz nach dem Gespräch sei das Telefonnetz zusammengebrochen, seitdem habe sie keine Nachricht mehr von zu Hause.
Seit rund 13 Jahren operieren mehrere islamistische Gruppen und Rebellenbewegungen in Mali, vor allem im Norden des Landes und in der zentralen Region Mopti. Die Militärregierung, die ihren Putsch 2021 unter anderem mit einem Versagen der gewählten Regierung im Umgang mit der grassierenden Gewalt rechtfertigte, lobt regelmäßig die eigenen Erfolge. Auch die seit über drei Jahren anhaltende Zusammenarbeit mit Russland bewertet sie positiv.
Politologe sieht Verbesserung der Sicherheitslage
Der malische Politikwissenschaftler Paul Oula sieht ebenfalls Fortschritte bei der Sicherheitslage. Armee und Regierung seien „wieder auf fast dem gesamten Staatsgebiet vertreten“. Sie hätten allerdings nicht verhindern können, „dass die bewaffneten Gruppen hier und da einige Angriffe verübten“.
Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Büros der deutschen CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bamako, schätzt die Lage etwas anders ein: „Die großen Verkehrsachsen sind wohl sicherer, darunter die Straße nach Mopti“, sagt er. In den ländlichen Regionen dagegen sei es weiterhin „schwierig, weil der Staat da so schwach präsent ist“.
Niederlagen für russische Söldner
Gesicherte Informationen über die Lage gibt es nicht. Bekannt ist aber, dass die malische Armee und ihre russischen Partner 2024 einige schwere Niederlagen erlitten: So rieben im Juli Tuareg-Rebellen im Norden fast eine gesamte Einheit aus malischen Militärs und russischen Söldnern auf. Dabei sollen rund 80 russische Kämpfer und mehr als 40 malische Soldaten getötet worden sein. Im September gelang es Mitgliedern einer islamistischen, Al-Kaida-nahen Gruppe, mehrere schwer gesicherte Ziele in Bamako anzugreifen. Über 70 Menschen sollen getötet worden sein - die russischen Sicherheitspartner Malis konnten das nicht verhindern.
Offiziell hat sich im Verhältnis zwischen Mali und Russland trotzdem nichts geändert. Laessing sieht allerdings Anzeichen für „vielleicht eine gewisse Ernüchterung“ auf malischer Seite. Für bemerkenswert hält er in diesem Zusammenhang auch, dass Mali Ende Januar einer erneuten Verlängerung der EU-Polizeimission EUCAP-Sahel Mali zur Stärkung der Sicherheitsstrukturen zugestimmt hat. Die Verlängerung bis 2027 sei vielleicht ein Zeichen der vorsichtigen Wiederannäherung an Europa.
Einfluss der Türkei gestiegen
Währenddessen sei der Einfluss der Türkei durch die anhaltende Sicherheitskrise deutlich gestiegen, sind sich Laessing und Oula einig. Die Militärregierung hat mittlerweile mindestens 19 bewaffnete Drohnen in der Türkei gekauft, die türkische Regierung bietet außerdem militärisches Training und bewaffneten Personenschutz. „Die Türkei ist zu einem sehr verlässlichen Partner Malis geworden“, sagt Oula. Im Kampf gegen die Aufständischen seien die Ergebnisse der Drohneneinsätze spürbar. Allerdings gibt es Amnesty International und Medienberichten zufolge auch zivile Opfer von Drohnenangriffen. Hinzu kommt, dass laut der Konfliktforscher von Acled staatliche Akteure erheblich zur Gewalt gegen Zivilisten beitragen.
Die Menschen im Vertriebenenlager Faladié wagen sich jedenfalls noch nicht in ihre Heimatdörfer zurück. Der Mittdreißiger Mahmoud Hama Diallo sitzt auf der Schwelle der Wellblechhütte, in der er mit seiner Familie wohnt. Die Sicherheitslage zu Hause sei etwas besser geworden, sagt er. Zurück wolle er dennoch auf keinen Fall. „Unser Heimatdorf ist immer noch die Hölle, hier ist das Paradies.“ Ein Paradies auf dem Viehmarkt, gelegen auf einer ehemaligen Müllhalde. Zumindest müssen die Vertriebenen hier nicht jeden Tag um ihr Leben fürchten.