Es war ein deutliches Ultimatum: Ende Dezember drohten die Taliban mit der Schließung aller Hilfsorganisationen, die weiter afghanische Frauen beschäftigen und sich nicht unter die Aufsicht der Regierung stellen. Schon das könnte für die afghanische Bevölkerung dramatische Folgen haben. Denn knapp dreieinhalb Jahre nach der Machtübernahme der Taliban herrscht in Afghanistan weiter eine schwere humanitäre Krise. Bis März könnten den Vereinten Nationen zufolge knapp 15 Millionen Menschen nicht in der Lage sein, sich ausreichend zu ernähren. Und die Beiträge der Geberländer nehmen ab.
Nun wird die Situation durch die Politik von US-Präsident Donald Trump weiter verschärft. Der hat direkt nach seinem Amtsantritt alle Hilfsgelder für 90 Tage ausgesetzt und will prüfen, welche Hilfe weiterläuft und welche nicht. Afghanistan hat er mehrfach gedroht, die Finanzierung einzustellen oder an Bedingungen zu knüpfen, wie etwa an die Rückgabe von Militärausrüstung, welche die US-Armee bei ihrem überstürzten Abzug 2021 zurückließ. Noch im vergangenen Jahr trugen die USA knapp die Hälfte des internationalen Spendenbudgets bei, rund 735 Millionen US-Dollar.
Welternährungsprogramm hat Hilfen gekürzt
Internationale Organisationen befürchten nun das Schlimmste: Viele Hilfsprogramme stießen bereits jetzt an ihre finanziellen Grenzen, sagte Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrates, einer der größten Hilfsorganisationen in Afghanistan. So musste unter anderem das Welternährungsprogramm im vergangenen Jahr wegen Geldmangels seine Hilfe kürzen und rund zehn Millionen Menschen die Unterstützung entziehen.
Dennoch sei es schwer vorauszusagen, wie gravierend sich die US-Kürzungen tatsächlich auswirken würden, sagt Graeme Smith, Afghanistan-Experte bei der internationalen Denkfabrik „Crisis Group“. Bis heute sei unklar, wie stark der Zusammenbruch der afghanischen Wirtschaft nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 tatsächlich gewesen ist.
Laut einem Bericht der Weltbank, der sich auf die Auswertung von nächtlicher Lichtstrahlung in den Städten und ländlichen Regionen in der Zeit nach der Machtübernahme der Taliban beruft, könnte die afghanische Wirtschaft gar gewachsen sein. Viele Einnahmen wie durch den Opiumhandel oder durch Grenzschmuggel in die Nachbarländer würden im informellen Bereich generiert und seien schwer zu erfassen, gibt Smith zu bedenken.
Auch der Kurs der afghanischen Währung Afghani, der nach der Machtübernahme zunächst eingebrochen war, hat sich im vergangenen Jahr leicht stabilisiert. Doch die Devisenreserven der afghanischen Zentralbank im Ausland - knapp 9 Milliarden US-Dollar - sind weiter eingefroren. Die afghanische Wirtschaft ist daher bis heute stark auf Bargeld und ausländische Währungen wie den US-Dollar angewiesen.
Bargeld aus den USA eingeflogen
Hilfreich waren daher vor allem die Bargeldlieferungen für die humanitäre Hilfe im Land, mit denen die Programme und Gehälter der Vereinten Nationen und anderer Hilfsorganisationen bezahlt wurden. Seit Dezember 2021 haben die UN auf diese Weise mehr als vier Milliarden US-Dollar Bargeld aus den USA nach Afghanistan geflogen und an eine afghanische Bank geliefert, um sie von dort weiterzuverteilen.
Doch die Vereinten Nationen verfügen über immer weniger Mittel für Afghanistan. Auch aufgrund der Politik der Taliban haben immer mehr Geberstaaten ihre Hilfen deutlich zurückgefahren. Für 2025 haben die UN ein Spendenziel von 2,42 Milliarden US-Dollar ausgerufen. Allerdings sind im vergangenen Jahr nur knapp die Hälfte des benötigten Geldes eingegangen. Auch Deutschland hat seine Beiträge in den vergangenen Jahren drastisch gesenkt, von 447 Millionen Dollar 2022 auf knapp 96 Millionen im vergangenen Jahr.
Und folgenlos bleiben mögliche US-Kürzungen sicher auch nicht. Allein die Währung könnte deutlich unter Druck geraten. Das würde für viele Menschen bedeuten, dass sie für ihr Geld weniger Brot oder Reis erhalten. „Das wird für viele Menschen verheerend sein, aber die Frage ist, wie verheerend“, sagt Smith.