Mehr Kinder in NRW werden von Einschulung zurückgestellt
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Schultüten im Fachgeschäft
Düsseldorf (epd).

Die Zahl der Kinder, die ein Jahr zurückgestellt und später eingeschult werden, ist in Nordrhein-Westfalen gestiegen. Zum Schuljahr 2023/24 seien landesweit 5.695 Zurückstellungen bewilligt worden, zeigen Zahlen aus dem NRW-Schulministerium, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorlagen. Das ist ein Plus von rund 77 Prozent im Vergleich zum Schuljahr 2019/20 mit damals 3.218 Zurückstellungen. Auch die Quote der Bewilligungen von Anträgen auf Zurückstellungen durch Eltern stieg laut Ministerium leicht an: von 95,4 Prozent im Schuljahr 2019/20 auf 96,7 Prozent im Schuljahr 2023/24. Zunächst hatte die „Rheinische Post“ darüber berichtet.

Ein Sprecher des NRW-Schulministeriums sagte der Zeitung, es gebe keine belastbaren Erkenntnisse für die Gründe des Anstiegs. Eine Zurückstellung von der Einschulung sei immer eine Einzelfallentscheidung. Er hob allerdings hervor, dass Eltern heute mehr Einfluss nehmen könnten als früher. „Bereits vor einigen Jahren ist geregelt worden, dass auch Eltern fachärztliche oder therapeutische Gutachten einbringen können“, sagte der Sprecher. „Es ist davon auszugehen, dass diese Regelung Wirkung entfaltet.“

Bei den Schuleingangsuntersuchungen fielen zudem Probleme bei der altersgerechten Sprachkompetenz im Deutschen auf, ergab eine Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion. Zum Schuljahr 2023/24 seien bei knapp einem Drittel (32,2 Prozent) der untersuchten Fünf- und Sechsjährigen Auffälligkeiten in dem Bereich festgestellt worden. Beim Umgang mit Zahlen und Mengen seien es 17 Prozent gewesen.

Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, forderte von der Landesregierung, Förderbedarfe frühzeitig zu erkennen. „Wenn erst mit der Schulanmeldung untersucht wird, ob die Kinder überhaupt schulfähig sind, können Förderbedarfe in der Kürze der Zeit nicht mehr ausgeglichen werden“, kritisierte sie. Stattdessen sollten die entsprechenden Untersuchungen bereits mit viereinhalb Jahren stattfinden. So könnten den Familien frühzeitig passende Förderangebote unterbreitet werden. Mit der Schulanmeldung könne dann eine zweite Untersuchung stattfinden.

Der Landessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*/innen in NRW, Axel Gerschlauer, vermutet Nachwirkungen der Corona-Pandemie hinter der Entwicklung. „Jetzt fallen uns die Fehler der Corona-Zeit auf die Füße“, sagte er der „Rheinischen Post“. Die Ärztinnen und Ärzte merkten allgemein in der Vorsorge, dass Kinder mehr Defizite in Feinmotorik, Grobmotorik und emotionaler Bildung hätten. Während der Pandemie-Jahre mit eingeschränkter Kita-Betreuung seien Kinder weniger in Kontakt mit Gleichaltrigen gekommen. Zudem seien hohe Bildschirmzeiten nicht gut für die kindliche Entwicklung. „Es beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit, die Intelligenz, die Daten dazu sind eindeutig“, erklärte Gerschlauer.

Im Einzelfall können schulpflichtige Kinder aus „erheblichen gesundheitlichen Gründen“ für ein Jahr von der Einschulung zurückgestellt werden. Die Entscheidung wird von der Schulleitung auf Grundlage eines schulärztlichen Gutachtens getroffen. Auch weitere von den Eltern beigebrachte fachärztliche oder fachtherapeutische Stellungnahmen können dabei berücksichtigt werden. Bei der Entscheidung spielt auch Prävention eine Rolle, wenn etwa eine körperliche oder seelische Überbelastung durch den Schulalltag erwartet wird.