Einsatz von KI in der Pflege ist noch ein Randphänomen
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Soziale Roboter für Senioren
Frankfurt a.M., Minden (epd).

Noch ist dieses erdachte Szenario Science-Fiction, doch es könnte bald auf Demenzstationen Realität werden: Senior Günther steht mitten in der Nacht auf und möchte einkaufen gehen. Der am Eingang der Station „wachende“ Serviceroboter Pepper bemerkt das. Er rollt auf den verwirrten Günther zu und fragt ihn freundlich, was er vorhabe. Weil die Maschine weiß, dass es tief in der Nacht ist, und Günther dement ist, erfolgt der Rat, wieder ins Bett zu gehen. Lässt sich der Heimbewohner nicht beirren, dann benachrichtigt der Roboter den Nachtdienst. Vorteil des Technikeinsatzes: Pflegefachkräfte müssen nicht ständig vor Ort sein. Das kann helfen, Personalengpässe zu überbrücken.

Beim Einsatz von KI in der Pflege geht es nicht darum, Pflegebedürftige alleine von Robotern betreuen zu lassen - zumal der Einsatz von Pepper, NAO und Co. technisch noch längst nicht ausgereift ist. Vielmehr sollen „intelligente“ Systeme das Personal entlasten. Beispielsweise, indem sie organisatorische Aufgaben, Analysen und das Monitoring übernehmen.

Der 1,20 Meter große humanoide Roboter Pepper, der unter verschiedenen Namen firmiert, kann menschliche Gefühle erkennen sowie Mimik und Gestik seines Gegenübers analysieren. „Sein kindlich-stilisiertes Design verbirgt jegliche Technik und erhöht die soziale Akzeptanz“, wirbt der Hersteller auf seiner Homepage. „Pepper ist auf Veranstaltungen ein echter Publikumsmagnet. Zugleich ist er ein sympathisches Beispiel für die Anwendung von KI“, sagt Nadine Kaltschmidt vom Mittelstand-Digital Zentrum Magdeburg.

Roboter können in Heimen vielseitig zum Einsatz kommen, zum Beispiel als Hilfe beim Heben. Sie können auch Wäsche und Geschirr einsammeln, Schränke auffüllen, Böden reinigen oder das Bewegungstraining von pflegebedürftigen Personen anleiten.

Robotik-Experte Sami Haddadin von der Technischen Universität München hofft, „dass Roboterassistenten dem Pflegepersonal in 20 Jahren sehr viele Aufgaben abnehmen“. Dann „können sich Fachkräfte wieder mehr den zwischenmenschlichen, verbindenden Tätigkeiten widmen“, sagt der Direktor des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence der TU München.

Fachleute erwarten, dass die KI-Nutzung die Sozialwirtschaft grundlegend revolutionieren wird. Doch das wird noch dauern. Denn vieles bei der Anwendung ist noch unklar. Etwa welche Chancen und Risiken daraus erwachsen und auf welche Weise sie die verschiedenen Arbeitsfelder der Branche verändern werden.

„Der Einsatz sozialer Robotik in der Pflege ist kein Selbstläufer, sondern muss gut begleitet werden“, sagt Judith Schoch vom Institut für Innovation, Pflege und Alter (IPA). Das Institut hat für die Evangelische Heimstiftung in Stuttgart mehr als ein Jahr lang den Einsatz von zwei humanoiden Robotern in ihren Einrichtungen wissenschaftlich untersucht. Man habe wissen wollen, „ob soziale Robotik im Pflegeheim funktioniert und was sie den Menschen bringt - sowohl den Pflegebedürftigen als auch den Mitarbeitenden“.

Die sehen durchaus das Potenzial des Roboters „Navel“, die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern und Mitarbeitende zu entlasten. „Allerdings nur, wenn sich wesentliche Funktionen verbessern: Mobilität, Reaktionszeit sowie Sprach- und Gesichtserkennung“, sagt die Heimstiftung. Sie betont, es habe bei Kunden und Beschäftigten wenig ethische Bedenken gegen den Robotereinsatz gegeben. Deshalb hat die Heimstiftung zwei zusätzliche Roboter gekauft.

Die Diakonie Stiftung Salem in Minden, die rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, nutzt KI in der Pflegedokumentation. Das Programm „voize“ ist eine Sprach-App, mit der die Dokumentation direkt am Bett oder beim Bewohner in das Smartphone gesprochen wird. Nach einem Testlauf wurden sieben stationäre Einrichtungen durch eine Projektmanagerin geschult und mit der App ausgestattet, sagte Carsten Wöhler, Prokurist und Geschäftsberichtsleiter Pflege & Leben der Diakonie Stiftung Salem dem Evangelischen Pressedienst (epd). Man sehe eine Beschleunigung der Arbeitsleistung: „Es bleibt durch die schnellere Dokumentation gewonnene Zeit für die Betreuung der Bewohner übrig.“

Von Dirk Baas