Liebesdrama im Künstlermilieu
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Oskar Kokoschka und Alma Mahler
"Frau in Blau": Museum Folkwang zeigt Oskar Kokoschka und Alma Mahler
Essen (epd).

Der expressionistische Maler Oskar Kokoschka wollte die verborgene Aura eines Menschen sichtbar machen, ihr Innerstes erkunden - und hat dabei schonungslos auch sein eigenes Seelenleben entblößt. Davon erzählen die Werke Kokoschkas (1886-1980) aus der Zeit seiner obsessiven und letztlich unerfüllten Liebe zu der Wiener Komponistin und Gastgeberin künstlerischer Salons, Alma Mahler (1879 bis 1964). Das Essener Museum Folkwang stellt die künstlerischen Folgen von Kokoschkas Liebe ins Zentrum einer Ausstellung, die bis zum 22. Juni zu sehen ist.

Angefangen vom ersten Porträt in Wien im April 1912, wo er die Witwe des Dirigenten und Komponisten Gustav Mahler, kennenlernte und sich sofort verliebte, bis hin zu Bildnissen mit einer lebensgroß nachgebildeten Puppe der Angebeteten, die ihm nach drei Jahren den Laufpass gegeben hatte. Die „Frau in Blau“, eine Inszenierung der Puppe alias Alma, ist das berühmteste dieser Bilder.

Insgesamt 35 Exponate dieses Liebesdramas im Künstlermilieu von 1912 bis 1922 zeigt das Folkwang Museum in Essen. Unter dem Titel „Frau in Blau. Oskar Kokoschka und Alma Mahler“ zeichnet die thematisch eng begrenzte kleine Werkschau die Geschichte der beiden prominenten Figuren der Wiener Moderne nach. Erstmals seit mehr als 30 Jahren und vermutlich zum letzten Mal, wie Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter betont: „Viele der Werke sind fragil und werden nicht mehr ausgeliehen.“ Ein gut vier Meter langes Wandbild etwa, das über dem Kamin der Villa Mahler hing, 1988 erst wiederentdeckt wurde und heute in Privatbesitz in Österreich ist. Sehenswert auch sechs handbemalte Fächer, die Kokoschka seiner Geliebten jeweils zum Geburtstag und zu Weihnachten schenkte.

Ein Schlüsselwerk steuert die Sammlung Folkwang selbst zur Ausstellung bei, das sogenannte „Verlobungsbild“ von Mahler und Kokoschka aus den Anfängen ihrer Beziehung. Das Gros der Exponate jedoch sind Leihgaben aus Museen in New York, Tokio, Wien, Berlin, Stuttgart und Hamburg - große Kunst in zwei kleinen Räumen auf knapp 200 Quadratmetern. Sie sind unterteilt in zwei Werk- und Lebensphasen, die gemeinsame Zeit des Paares in Wien und die kreative Selbstinszenierung Kokoschkas mit der selbst entworfenen Alma-Puppe in Dresden nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg.

Alma Mahler sei „eine der faszinierendsten und widersprüchlichsten Persönlichkeiten der Wiener Kunstszene“ gewesen, beschreibt Kuratorin Anna Brohm die Witwe des berühmten, 1911 gestorbenen Komponisten Gustav Mahler. Sie sei nicht nur Muse, sondern selbst auch Künstlerin gewesen. 1915 heiratete sie den Bauhaus-Architekten Walter Gropius, später dann den Dichter Franz Werfel. Passend dazu die Geschichte ihres Porträts, das Oskar Kokoschka anfertigte. Nach der Trennung von Kokoschka schenkte sie es dem Museum Folkwang, erbat es aber nach der Scheidung von Gropius vom Museum zurück und nahm es 1940 mit ins US-amerikanische Exil. „Jetzt ist es nach mehr als 100 Jahren erstmals wieder hier“, berichtet Gorschlüter. Eine Leihgabe aus Tokio.

Während der erste Raum der Ausstellung bis 1915 Kokoschka und Mahler vielfach als Liebespaar zeigt, oder zumindest Kokoschkas Träume davon, weichen die eher pastelligen Farben im zweiten Raum dunkleren, oft dick aufgetragenen Farbtönen. Kokoschka, ein Pionier des Expressionismus, bestellte bei der Münchner Kunsthandwerkerin Hermine Moos eine lebensgroße Puppe nach Almas Abbild. Auch Skizzen und Vorlagen dazu zeigt die Folkwang-Schau, ebenso wie Darstellungen mit der lebensgroßen Puppe - mal sorgfältig gekleidet, mal nackt und zerbrechlich im Arm eines besitzergreifenden Mannes.

Ob diese „stille Frau“ eine Sexpuppe, geschickte künstlerische Inszenierung oder ein Fetisch war? Museumsleiter Gorschlüter hält die Pseudo-Alma ebenso wie andere Kunstexperten eher für einen wohl kalkulierten künstlerischen Mythos: „Heute würde man sagen: gutes Marketing.“ 1922 schließlich habe Kokoschka die Puppe bei einem Künstlerfest im Garten zerstört. Auf seinem farbenfrohen Selbstbildnis mit Staffelei von 1922 jedenfalls hat er seine Obsession offenbar überwunden, die Puppe ist nur noch eine Randerscheinung. Inspiration liefert sie jedoch immer noch. Ausgehend von Kokoschkas Skizzen hat der Schweizer Künstler Denis Savary 2007 mehrere Puppen nachgebildet, zwei von ihnen sind jetzt auch in der Folkwang-Schau zu sehen.

Begleitend zur dreimonatigen Dauer der Ausstellung „Frau in Blau“ findet in Essen zeitgleich ein Festival statt, das Alma Mahler-Werfel gewidmet ist: „Doppelbildnisse. Alma Mahler-Werfel im Spiegel der Wiener Moderne“. Darin beleuchten sechs Essener Kulturinstitutionen in einem breit gefächerten Programm mit Musikveranstaltungen und Symposien das Leben und Wirken der österreichischen Künstlerin.

Von Bettina von Clausewitz