Für jeden das passende Video
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Video-Plattform YouTube wird zwanzig Jahre alt
Vor 20 Jahren ging Youtube an den Start
Frankfurt a. M., Bochum (epd).

Rückenschmerzen? Nach der Behandlung empfiehlt die Physiotherapeutin ein Übungsvideo. Die Gebrauchsanweisung der geerbten Fotokamera ist nicht mehr auffindbar? Irgendein Nutzer hat sie bestimmt hochgeladen. Wie ging nochmal der Dreisatz? Ein ansprechendes Erklärvideo ist schnell gefunden. Die Videoplattform Youtube ist aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken - für jeden und für jedes Interesse findet sich das passende Video. Am 14. Februar wird die Plattform 20 Jahre alt.

Ein großer Vorteil von Youtube liege in seiner individuellen Verfügbarkeit, sagt Josephine Schmitt, wissenschaftliche Koordinatorin am „Center for Advanced Internet Studies“ in Bochum. Nutzer und Nutzerinnen könnten jederzeit Videos nach ihren Interessen abrufen, pausieren oder weiterführen. Neben Bildung und Information spiele auch Unterhaltung eine zentrale Rolle.

Daneben werde Youtube auch als soziales Netzwerk genutzt. Nutzer und Nutzerinnen kommentieren, diskutieren und erstellen eigene Videos. Sie könnten verschiedene Rollen ausprobieren und sich mit anderen austauschen: „Damit fungiert Youtube als wichtiger Sozialisationsagent.“

Allerdings, so Schmitt, habe sich die Plattform in den vergangenen Jahren stark professionalisiert und kommerzialisiert. Akteure mit unterschiedlichen Zielen agierten und konkurrierten: Museen zum Beispiel setzten auf Aufklärung, während Medienhäuser versuchten, junge Zielgruppen mit innovativen Formaten anzusprechen. Unternehmen nutzten Youtube für Marketing, Produktplatzierung und Brand Building, während politische Akteure und Akteurinnen die Plattform für Mobilisierung einsetzten. „Dadurch bleibt zwar das soziale Netzwerk erhalten, doch die Sichtbarkeit durchschnittlicher Nutzer und Nutzerinnen ist deutlich gesunken.“

Wolfgang Schweiger, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, erklärt, dass Youtube von einer „Videoplattform für alle“ zu einem hochprofessionellen, gewinnorientierten Marktplatz geworden sei, eine „Art neuzeitlichem Massenmedium mit Video-on-Demand“. Youtube sei heute vor allem eine Plattform für Profis, die dort ihr Geld mit Werbung verdienten. „Anders als etwa bei Instagram müssen sich Influencer hier nicht selber um Einnahmen kümmern, sondern bekommen in ihren Videos von Youtube passende Werbung eingeblendet und werden anschließend an den Einnahmen beteiligt.“

Im Vergleich zu den professionellen Videos, die die Plattform heute dominieren, wirkt das erste Video, das auf Youtube hochgeladen geladen wurde, wie aus der Zeit gefallen: Ein junger Mann steht vor einem Elefantengehege, die Bildqualität lässt vermuten, dass es sich um ein Amateurvideo handelt. Das Coole an den Elefanten sei, sagt der Mann, dass sie echt lange Rüssel hätten. Zögern, ein Blick über die Schulter. „Und das“, fügt er noch hinzu, „ist so ziemlich alles, was es dazu zu sagen gibt.“

Heute ist das Video „Me at the zoo“ („Ich im Zoo“) berühmt. Der US-Amerikaner Jawed Karim lud es am 24. April 2005 hoch, seither hat es knapp 350 Millionen Aufrufe. Gemeinsam mit Chad Hurley und Steve Chen hat Karim Youtube erfunden. Im Februar 2005, vor 20 Jahren, sicherten sich die drei die Rechte an der Marke und registrierten die Internetadresse www.youtube.com. Schnell erkannte der Internetriese Google das Potenzial und kaufte Youtube Ende 2006 für 1,65 Milliarden US-Dollar.

Laut der JIM-Studie 2024 - einer Untersuchung zum Umgang von 12- bis 19-Jährigen mit Medien - werden Videos auf Internet-Plattformen wie Youtube von 85 Prozent der 12- bis 19-Jährigen regelmäßig angesehen. Youtube spielt vor allem für die 12- bis 13-Jährigen eine zentrale Rolle. Die verschiedenen Plattformen erfüllen dabei unterschiedliche Bedürfnisse der Jugendlichen: Bei Langeweile zum Beispiel greifen sie laut Studie am häufigsten auf Youtube (38 Prozent) zurück. 25 Prozent der Jugendlichen suchen Youtube bei der Suche nach Unterhaltung und Spaß auf, für 28 Prozent ist die Plattform die wichtigste Quelle für Nachrichten zum Weltgeschehen.

Mit der Aufmerksamkeit kommt aber auch die Verantwortung: Schmitt, die sich wissenschaftlich mit der Verbreitung und Wirkung von extremistischer Propaganda im Internet beschäftigt, beklagt, dass problematische Inhalte wie Desinformation und Hassrede trotz Moderationsmaßnahmen und Regulierung weiterhin präsent seien. Zudem seien die Empfehlungsalgorithmen für die Öffentlichkeit intransparent. „Das führt dazu, dass kontroverse oder extreme Inhalte oft hohe Reichweiten erzielen, während weniger emotionalisierende und polarisierende Inhalte und Akteure - wie Bildungs- und Präventionsangebote - Schwierigkeiten haben, sichtbar zu sein.“

Von Elisa Makowski