Fantastische Traumwelten in intensiven Farben
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Kunstsammlung NRW präsentiert "Chagall"
Kunstsammlung NRW präsentiert umfassende Chagall-Ausstellung
Düsseldorf (epd).

Als 23-jähriger unbekannter Maler aus dem russisch-jüdischen Schtetl kommt Marc Chagall um 1910 in die Weltstadt Paris. Hier arbeiten Künstler bereits mit neuen intensiven Farben, ihr Stil ist der Fauvismus, und befreien sich von der Darstellung der Wirklichkeit. Chagall (1887-1985) nimmt die Inspirationen auf, findet schnell Anschluss an Künstlerkreise - und entwickelt seinen eigenen Stil, verbindet Fantasiewelten mit Eindrücken aus seiner jüdischen Heimat. Diese Kombination wird er sein ganzes Künstlerleben lang in vielen Variationen beibehalten.

„Die Bilder sind gleichzeitig offensichtlich und rätselhaft, sie sind intensiv farbig und öffnen Türen zu Traumwelten - das macht Chagall so beliebt“, sagt Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Dort ist ab Samstag (15. März) bis zum 10. August die Ausstellung „Chagall“ mit 120 Werken aus allen Schaffensphasen des Künstlers zu sehen.

Marc Chagall gilt als einer der wichtigsten und beliebtesten Maler des 20. Jahrhunderts. Bereits in den 1910er Jahren arbeitet er mit den intensiven Farben, die seine Bilder immer erkennbar machen. Die Darstellung einer Kreuzigung aus dem Jahr 1912 ist eine der Entdeckungen der Schau. Der Gekreuzigte steht auf dem Berg Golgatha nicht im Mittelpunkt des Gemäldes in sattem Grün und flammenden Rot. Der Arbeiter, der die Leiter zum Kreuz bringt, ist ebenso groß dargestellt. Die klagende Maria und ein händeringender Jünger sitzen trauernd unter dem Kreuz, eine Szene aus Jesu Leben auf dem See Genezareth reichert das Bild an.

Die Geschichten stehen nebeneinander, auch wenn sie sich nacheinander ereignet haben. Dieses Stilmittel wird auch typisch werden für Chagall, wenn etwa in einer Dorfszene ein Bauer seine Ziege über der Kirche durch den Bildhimmel führt oder Liebende über Blumensträuße fliegen.

Von Paris kehrt der Maler vor dem Ersten Weltkrieg noch einmal in seinen Geburtsort Witebsk zurück. Selten ausgestellte Gemälde aus dieser Zeit zeigen einen ruhigeren Chagall, der in seiner Liebe zu seiner Frau Bella und dem Familienleben aufgeht. Eine Zeit ohne Stürme ist das trotzdem nicht, die Russische Revolution 1917 erschüttert das Land. Chagall gründet in Witebsk eine Kunstschule und unterrichtet Kinder, wie ein anrührendes Foto zeigt.

Bilder aus dieser Schaffensphase hängen heute in russischen Museen in Moskau und St. Petersburg. „Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine konnten wir diese aber nicht mehr ausleihen“, sagt Kuratorin Susanne Meyer-Büser. Marc Chagall verlässt seine Heimat 1922 wieder, wird die Bilder aus dem Schtetl und vor allem die Szenen jüdischen Lebens aber bis zum Ende seines Schaffens kurz vor seinem Tod mit 97 Jahren in Südfrankreich malen. „Er hat seine Heimat in seiner Erinnerung stets lebendig gehalten, da er sie als Flüchtling verlassen musste.“

Nach der Rückkehr nach Paris entwickelt der Maler das ikonische Chagall-Blau, das vielen seiner Bilder den anziehenden und gleichzeitig beruhigenden Ton gibt. Ein Raum im Düsseldorfer Museum K 20 ist auch in dieser Farbe gehalten. Als Frankreich während des Zweiten Weltkriegs von NS-Deutschland besetzt wird, müssen Chagall und seine Familie als Juden wieder fliehen, dieses Mal nach New York. Dort stirbt seine Frau Bella. In der Trauerphase ist Chagall unfähig zu malen. Bald aber entstehen große Ölgemälde von Hochzeiten und Liebespaaren, immer auf der Schwelle zum Reich der Fantasie, als schwebende Menschen, umgeben von Blumen oder Bäumen, die auch durch die Lüfte fliegen. Die Farben halten die Bildwelten zusammen.

Im Spätwerk, das wieder in Europa, vor allem in Südfrankreich entsteht, wendet sich Chagall wieder der Bibel zu. Das Gemälde „Moses empfängt die Gesetzestafel“ aus dem Jahr 1950 ist ein typisches Werk dieser Zyklen. Moses ist lebensnah gezeichnet, ein alter, bärtiger Mann in dessen Gesicht das Erstaunen über die Zwiesprache mit seinem Gott eingeschrieben ist. Das Bild „Exodus“, das den gekreuzigten Jesus und die Geschichte des stets zur Flucht gezwungenen jüdischen Volkes zeigt, verbinde „alle Motive des Werkes von Marc Chagall“, sagt Museumsdirektorin Susanne Gaensheimer.

Die Ausstellung ist mit dem Museum Albertina in Wien erarbeitet worden. Dort habe sie im vergangenen Jahr 500.000 Besucherinnen und Besucher angelockt, hieß es. In Düsseldorf seien allerdings mehr Bilder des jungen Marc Chagall ausgestellt.

Von Irene Dänzer-Vanotti