Die universelle Sprache des Körpers
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"Tanzwelten" in der Bundeskunsthalle Bonn
Bundeskunsthalle in Bonn zeigt Ausstellung "Tanzwelten"
Bonn (epd).

Auf dem bäuerlichen Tanzvergnügen geht es wild und fröhlich zu: Pieter Bruegel hielt die Szene um 1650 fest, in der sich Paare auf einem Dorffest an den Händen halten und im Kreis drehen. Zweieinhalb Jahrhunderte später greift auch der Maler Franz von Stuck das Thema Tanz auf und malt feenhafte Frauen, die sich im Reigen in Einheit mit der Natur bewegen. Und wieder rund 100 Jahre danach liefert Simon Mayer eine Neuinterpretation der traditionellen Tänze seiner oberösterreichischen Heimat, in der zwei nackte Tänzer im Kreis wirbeln. Zu sehen sind diese unterschiedlichen Sichtweisen auf den Tanz ab Freitag in der Ausstellung „Tanzwelten“ in der Bonner Bundeskunsthalle.

Die Schau beleuchtet nicht nur die historische Entwicklung des Tanzes. Vielmehr nimmt sie die unterschiedlichen sozialen, religiösen und politischen Funktionen des Tanzes in den Blick. Zu sehen sind bis zum 16. Februar unter anderem Videos, Kostüme, Partituren, Gemälde, Grafiken, Fotografien, Bühnenmodelle sowie Installationen. Auf einer Tanzplattform im Zentrum der Ausstellung finden regelmäßig Vorführungen und Workshops statt.

„Wir wollen zeigen, aus welchen Beweggründen Menschen tanzen“, erklärt Kuratorin Katharina Chrubasik. Dabei geht die Ausstellung nicht chronologisch, sondern assoziativ vor und orientiert sich an den unterschiedlichen Funktionen des Tanzes. So kommt es, dass sich das Video des zeitgenössischen Choreografen Simon Meyer in unmittelbarer Nachbarschaft des Barockmalers Bruegel findet. Und ein mit Goldborte besetztes Ballettkostüm der berühmten Tänzerin Fanny Eßler aus der Zeit der Romantik korrespondiert mit dem zeitgenössischen Werk John Neumeiers, der Neufassungen historischer Handlungs- und Märchenballette entwickelt.

Wie Menschen zu unterschiedlichen Zeiten die erzählerische Kraft des Tanzes nutzten, wird beim Blick in die Choreografie-Werkstatt des langjährigen Hamburger Ballett-Intendanten Neumeier deutlich. Zu sehen ist das Material zur Entwicklung seines Balletts „Nijinsky“ (2000), in dem er die Ideen und die Lebensgeschichte des berühmten Tänzers Vaslav Nijinsky (1889-1950) mit seiner eigenen Bewegungssprache verknüpft. Neumeier entwickelte aus historischen Fotografien, Zeichnungen, Zeitungsausschnitten und Notaten ein neues Stück.

Ebenfalls von Nijinsky inspiriert ist ein Gemälde des spanischen Malers Federico Beltran-Masses, der den Tänzer 1910 in seiner Rolle in „Scheherazade“ malte. Beltran-Masses liebte Bezüge zur griechischen Mythologie. Und so erinnert auch die dargestellte Tanzszene an die Figuren auf antiken Vasen. Tatsächlich ließen sich viele Tanz-Pionierinnen und Pioniere zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Posen Tanzender aus der Antike inspirieren, darunter auch Nijinsky. Sie sahen darin Vorbilder von Natürlichkeit und Harmonie und eine Abkehr vom klassischen Ballett. Eine Revolutionärin bei der Befreiung von starren Tanz-Konventionen war Isadora Duncan (1877-1927), die ein System entwickelte, Gemütszustände in Gesten zu übersetzen. Abraham Walkowitz hielt ihre Bewegungen in seinen Aquarellen fest.

Auch die rituelle und spirituelle Funktion des Tanzes zieht sich durch die Jahrhunderte und durch die verschiedenen Kulturen. Während der Pest-Epidemien des Mittelalters entstanden in Europa Bilder von Skeletten, die mit Menschen tanzen. Ein Film zeigt, wie in New Orleans noch heute Menschen in einer Parade zu Jazzmusik tanzen, um die Verstorbenen zu feiern.

Zugleich ist der Tanz aber auch Ausdruck purer Lebensfreude und dient der Unterhaltung. So entstand im 19. und 20. Jahrhundert in den USA der Showtanz. Damit boten sich auch schwarzen Künstlerinnen und Künstlern neue Chancen. Ein Beispiel ist der Musical-Film „Stormy Weather“ von 1943 mit dem Stepptänzer William „Bojangles“ Robinson in der Hauptrolle. Der Hollywood-Film war ausschließlich mit afroamerikanischen Darstellerinnen und Darstellern besetzt, die zu dieser Zeit kaum in Hauptrollen zu sehen waren. Daran zeigt sich zugleich die Möglichkeit unterdrückter oder am Rande der Gesellschaft lebender Gruppen, den Tanz als befreiende Kraft zu nutzen. Ausdruck dafür ist etwa auch das Voguing, ein Tanzstil, der zum Selbstausdruck afro- und lateinamerikanischer queerer oder „LGBTQIA+“-Communities in New York wurde.

Zu erleben ist die Kraft des Tanzes in der Ausstellung auch in zwei raumfüllenden Video-Installationen: Der in Berlin lebende Künstler Choi Ka Fai beschäftigt sich mit schamanischen Tanztraditionen. Die niederländische Künstlerin Anouk Kruithof macht mit unzähligen Tanzvideos aus dem Internet die universelle Vielfalt des Tanzes sichtbar.

Von Claudia Rometsch