
Das gefährdete Leben von Frauen, Müttern und Mädchen thematisiert die israelische Malerin Bracha Lichtenberg Ettinger in ihren abstrakten Gemälden und Zeichnungen, die ab Samstag (22. Februar) bis zum 31. August im Museum K21 in Düsseldorf zu sehen sind. „Die Abstraktion muss den Schmerz der Welt treffen“, betonte die Künstlerin und ausgebildeten Psychoanalytikerin im Vorfeld der Schau. Oft empfinde sie abstrakte Kunst als zu kühl, zu wenig mitfühlend. Sie wolle aber im Gegenteil Mit-Leid hervorrufen, „Com-Passion“, ein Leid, das Schmerzen kennt und Menschen verbindet.
Ihre kleinformatigen Bilder komponieren oft Frauengesichter und weibliche Körper. Fotos dienten ihr dabei als Vorlage, sagt sie, besonders Abbildungen von Frauen unmittelbar vor ihrem Tod, etwa vor den Gaskammern in Auschwitz. Bracha Lichtenberg Ettinger stammt nach eigenen Angaben aus einer deutsch-jüdischen Familie. Ihre Großmutter wurde in Auschwitz ermordet. Ihre Eltern, die auch auf einem Bild eines bearbeiteten Fotos zu sehen sind, konnten aus dem Ghetto in Lodz rechtzeitig nach Palästina fliehen. Ihre Tochter wurde dort im März 1948 wenige Monate vor der Gründung des Staates Israel geboren. Als Künstlerin nennt sie sich BRACHA: „Das hebräische Wort heißt Segen“, mit dieser Bedeutung habe sie sich lange beschäftigt.
Die meisten ihrer Werke sind in Violett- und Rot-Tönen gehalten. Manchmal zitiert sie Kunstwerke, etwa den „Schrei“ von Edvard Munch oder „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Vermeer van Delft. Auch Spuren italienischer Kunst seien zu finden, da das eine ihrer wichtigsten Inspirationsquellen sei. Viele Bilder wirken, als hätten sie eine gewebte Struktur. Diesen Effekt erreiche sie, indem sie Ölfarben Asche beimenge, erläuterte die Künstlerin.
Geschichten von Religionen und Mythen durchziehen sowohl ihre Bilder als auch ihre Lebenshaltung. Als Beispiel nennt sie die Geschichte von Kain und Abel. Gott sage nach der Erzählung der Bibel zu den Brüdern: „Wenn Du wohl tust, trägst Du den anderen.“ Dieses fürsorgliche Tragen anderer Menschen sei ihr Prinzip: „Alles benötigt meine Fürsorge“. Sie hoffe, fügt sie hinzu, dass Betrachterinnen und Betrachter diese Haltung in den Bildern erkennen.
Geburt und Tod bestimmen die Gedankenwelt der Künstlerin, die in Tel Aviv und Paris lebt und nach wie vor als Psychoanalytikerin arbeitet. Der Mensch sei nie nur im Hinblick auf den Tod zu verstehen, sondern immer als geborenes Wesen. Gebärende Frauen, wiederum in abstrakten Werken angedeutet, sind Themen mehrerer Bilder. Eine ganze Serie ist nach der griechischen Sagengestalt Eurydike genannt. Als Orpheus sie nach ihrem Tod aus dem Totenreich befreien wollte, widersetzte er sich aber dem Gebot, sich nicht nach ihr umzudrehen. So starb Eurydike ein zweites Mal. „Das geht uns oft so im Leben, dass wir aufgrund von eigenen Erinnerungen oder Urteilen anderer Menschen im übertragenen Sinn sterben und wieder geboren werden.“ Aus solchen Prozessen entstehe die Lebenslust. Auch davon erzähle ihre Kunst.
Wegen der Geschichte ihrer jüdischen Familie habe sie Deutschland für eigene Ausstellungen bisher gemieden, sagt Lichtenberg Ettinger. Da die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen aber aus einer Sammlung von Bildern des Malers Paul Klee hervorging, den die NS-Diktatur ins Exil getrieben habe, eigne sich dieses Museum für ihre Werke: „Verwandlung ist hier überall präsent.“