Der Klangmagier
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Ravel wuchs in Paris auf und studierte dort am Konservatorium.
Zum 150. Geburtstag von Maurice Ravel
Dortmund (epd).

Manche seiner Zeitgenossen haben ihn als „Schweizer Uhrmacher“ bezeichnet. Tatsächlich ist der Komponist Maurice Ravel (1875-1937) für seine Genauigkeit bekannt. Qualität ging bei ihm vor Quantität. Lediglich etwa 60 Werke sind von ihm überliefert sowie einige Dutzend unvollendete Kompositionen, Studien und Skizzen. Am 7. März jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal.

Er kam 1875 zur Welt - nicht in der Schweiz, sondern im französischen Ciboure nahe der Grenze zu Spanien. Aber sein Vater war Schweizer, ein Ingenieur. Und auch der Sohn begeisterte sich für Mechanisches: Ravels Vorliebe für Musikautomaten und außergewöhnliche Uhren zeigte sich schon in seinem ersten Opern-Einakter „Die spanische Stunde“, dessen Handlung in einem Uhrmachergeschäft beginnt. Ravel soll einmal gesagt haben: „Ich habe eine mechanische Nachtigall, deren Herz ich schlagen höre.“

Auch der Dortmunder Musikwissenschaftler und Ravel-Biograf Michael Stegemann bescheinigt Ravel „etwas Tüftlerisches“. Er habe stets am Klang und an den Formen gebastelt. Dies unterscheide ihn von Claude Debussy (1862-1918) und anderen Zeitgenossen.

Der Komponist wuchs in Paris auf, studierte am Konservatorium unter Gabriel Fauré. Als Pianist und Dirigent seiner Werke wurde er auch außerhalb Frankreichs bekannt. Sein kompositorisches Schaffen umfasst Opern und Lieder, Klavier- und Orchesterwerke sowie Kammermusik. Biograf Stegemann bescheinigt ihm, einer der Wegbereiter der Moderne in der Musik gewesen zu sein.

„Ravel ist ein absoluter Klangmagier und Klangzauberer“, erklärt Stegemann. Er habe faszinierende Stücke kreiert, die kein Komponist vor ihm geschaffen habe. Ravel habe dieselbe Melodie immer wieder anders gefärbt, sagt Stegemann. Seine „Klangmagie“ sei wie eine Droge, seine Musik packe einen immer wieder neu. Dabei erscheinen seine Melodien einfach, sind aber sehr komplex.

Stegemann zufolge ist der Franzose kein schneller Arbeiter gewesen. Als Tüftler habe er sich auch mal zwei, drei Jahre Zeit genommen, um ein Werk zu vollenden. Ravel hatte demnach keinerlei Schaffensdruck - weder finanziell noch mental. Er habe sich aber auch nicht drängen lassen, sagt der Biograf: Schon als junger Komponist sei er erfolgreich gewesen und habe von seiner Arbeit leben können.

Absolute Präzision braucht es auf jeden Fall für sein wohl berühmtestes Stück, den „Bolero“. 169 Mal wird die immer gleiche Rhythmusfigur auf der Trommel interpretiert, etwa eine Viertelstunde lang, über das gesamte Stück. Selbst für Profimusiker ist das eine Herausforderung. Ganz leise soll der „Bolero“ beginnen, um sich dann in der Lautstärke bis zum Lärm hin zu steigern.

Den „Bolero“ hat Ravel für die Tänzerin Ida Rubinstein (1885-1960) komponiert. Sie hatte ihn gebeten, einen spanischen Tanz für die Bühne zu schreiben. Uraufgeführt wurde das Werk 1928 in der Pariser Oper - mit Erfolg. Ein Jahr später begann der Siegeszug auch als Orchesterstück nach einer konzertanten Aufführung in den USA. Ravel selbst hat den herausfordernden „Bolero“ mehrfach dirigiert.

Der Komponist sagte zu seinem berühmtesten Stück einmal: „Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Bolero, leider enthält er keine Musik.“ Bei der Uraufführung soll eine Zuschauerin gerufen haben: „Hilfe, ein Verrückter“. Ravel habe kommentiert: „Die hat's kapiert!“ Doch wie erfolgreich gerade diese „verrückte“ Komposition zwischen ist, zeigt ihre Rezeption bis heute.

Oft wird behauptet, dass Ravel Impressionist war. Stegemann widerspricht: Er sei von Anfang an ein Komponist der Avantgarde gewesen. Ravel nutzte verschiedene Stile, war von der Musik des Barock ebenso beeinflusst wie vom Jazz und Blues. Für bedeutend hält der Biograf des Komponisten dessen Fähigkeiten als Instrumentator und Orchestrator, also beim Verteilen der einzelnen Stimmen mehrstimmiger Kompositionen auf verschiedene (Orchester-)Instrumente.

Ravel gelte als ein Komponist, der seinen Interpreten extrem viel abverlange, sagt Stegemann. Seine Klavierstücke seien revolutionär, seine Orchesterwerke rhythmisch extrem kompliziert. Für die Interpretation seiner Kompositionen brauche es „eine ganz große, fast mathematische Klarheit und Durchsichtigkeit“.

Ravel lebte laut Stegemann eher bescheiden. Er sei ein extrem verschlossener Mensch gewesen, kaum etwas über sein Privatleben sei bekannt. Er soll sich besser mit Kindern als mit Erwachsenen verstanden haben. Verheiratet war Ravel laut seinem Biografen nie. Der 1,57 Meter große Mann, dem eine enge Mutterbindung nachgesagt wird, ist aber auch für Extravaganz bekannt, etwa in seiner Kleidung. Die letzten Jahre seines Lebens waren von einem Nervenleiden bestimmt. Er habe gar nicht mehr komponiert, sagt Stegemann. Ravel starb am 28. Dezember 1937.

Heute ist der Franzose einer der meistgespielten Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sein Schaffen im internationalen Konzertleben präsent. „Es bräuchte keinen 150. Geburtstag, um auf ihn aufmerksam zu werden“, sagt Stegemann: „Ravel ist permanent da.“

Von Katharina Rögner