
Atemlos, ohne Punkt und Komma und auch ohne Gedankenstriche: Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) präsentierte sich bei seinen Bühnen- oder Radioauftritten gern als Schnellsprecher: „Man darf dem Publikum keine ruhige Minute lassen. Sonst ist man verloren“, sagte er einmal. Politische Frontalangriffe in seinen Programmen mochte der Kabarettist und Liedermacher nicht. Stattdessen wollte er „die Ohren der Menschen schulen für Lügen, falsche Töne und falsche Figuren.“
Viele seiner Texte sind auch 20 Jahre nach seinem Tod aktuell. „Hüsch war nicht nur der stillvergnügte Clown vom Niederrhein, sondern auch ein großer Humanist. Seine augenzwinkernden Texte sind ein Lichtblick in unsicheren Zeiten“, erklärt der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in einer Programmankündigung vor dem 100. Geburtstag des Kabarettisten.
Hüsch wurde am 6. Mai 1925 im niederrheinischen Moers geboren. Dort erinnern wenige Tage nach dem runden Geburtstag einige seiner kabarettistischen Weggefährten und Nachfolger mit einer großen Gala an das selbsternannte „Schwarze Schaf vom Niederrhein.“
Hüsch wandte sich gegen kleinbürgerliches Spießertum und Rechtsradikalismus, seine Episoden über die Figuren Ditz Atrops und Hagenbuch sind Glanzstücke literarischen Kabaretts. Der Protestant sprach ohne missionarischen Eifer vom christlichen Glauben, stieg auch als Laien-Prediger auf Kanzeln, redete auf Kirchentagen. Im Jahr 2000 erhielt er den ökumenischen Predigtpreis. „Bauchredner Gottes“ nannte ihn die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einmal. Der Theologe Okko Herlyn hat zum 100. von Hüsch ein Buch mit Psalmen, Gebeten und geistlichen Gedanken des Kabarettisten veröffentlicht, dem er den Titel gab.
Als Sohn eines preußischen Beamten kam Hanns Dieter Hüsch zur Welt. Nach mehreren Operationen an den Füßen wurde er nicht als Soldat im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Ein Medizinstudium brach er ab, ging nach Mainz, wo er ein Studium der Theaterwissenschaften, Philosophie und Literaturgeschichte begann. Doch schnell rief ihn das Mainzer Studentenkabarett „Die Tol(l)eranten“. Ab Ende 1948 trat er als Chansonnier mit einem eigenen Soloprogramm auf, gründete das Kabarettensemble „arche nova“.
Der „Poet der kritischen Fantasie“ veröffentlichte bissige Chansons, Gedichte und Geschichten mit reichlich Wortwitz, hielt mild-ironische Predigten, begleitete sich auch selbst auf der kleinen Philicorda-Orgel. In den Zeiten der Studentenbewegung und der linksterroristischen RAF wurde Hüsch bei einem Liedermacher-Festival auf der Burg Waldeck ausgebuht und als zu zahm und bürgerlich in seiner Gesellschaftskritik von der Bühne geschickt. Es muss eine extrem schmerzhafte und bis dato unbekannte Erfahrung für den Niederrheiner gewesen sein, der daraufhin - nach einer längeren Auszeit - den Schwerpunkt seiner Tätigkeit für längere Zeit ins Radio und ins Fernsehen verlegte.
Für das ZDF reiste er durch die Welt und unterhielt das Fernseh-Publikum mit humorigen Reisebetrachtungen der etwas anderen Art. Zudem war er beim Mainzer Sender viele Jahre lang auch als Synchronsprecher tätig, etwa für „Dick und Doof“ und „Die kleinen Strolche“.
1974 komponierte er ein bis heute bekanntes „Abendlied“ für Kinder und Erwachsene. Auch als Buchautor war Hüsch erfolgreich. Langsam verwandelte er seine Liveauftritte auf der Bühne in Lesungen mit Orgelbegleitung. Im Jahr 2000 begann er eine Abschieds-Tournee. Immerhin war er damals schon der dienstälteste deutsche Kabarettist. Nur ein Jahr später, im November 2001, erlitt er einen schweren Schlaganfall, von dem er sich bis zu seinem Tod im Dezember 2005 nicht mehr erholte. Hüsch hinterließ seine zweite Frau Christiane und seine Tochter Anna.
Die Stadt Moers liebt ihn bis heute: Er erhielt die Ehrenbürgerschaft, nach ihm wurde die Zentralbibliothek benannt, es gibt eine lebensgroße Statue in der Stadt, eine Dauerausstellung im Stadtmuseum und einen Platz, der seinen Namen trägt und Tag für Tag an den „Doyen des deutschen Kabaretts“ („Der Spiegel“) erinnert. Nikolaus Schneider, der frühere Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, sagte nach dem Tod von Hüsch: Seine „heitere Gelassenheit und seine begnadete Glaubensgewissheit werden uns fehlen.“
Bis zum Jahresende 2025 erinnern in seiner Heimatstadt eine ganze Reihe von Veranstaltungen an den niederrheinischen Gemütsmenschen, scharfsichtigen Gesellschaftskritiker und zutiefst im Glauben verwurzelten Christen Hanns Dieter Hüsch. Dazu gehört am 9. Mai eine Lesung von Hüschs Tochter Anna unter dem Titel „Mein Vater, der Poet“.