Ein grau-schwarzes Abendkleid, das sich scheinbar weich um einen Frauenkörper schmiegt: in der Skulptur „Nocturne #6“ liegen zwei Glasobjekte übereinander und betonen je nach Lichteinfall den Frauenkörper oder das Gewand. Die lebensgroße Skulptur der Künstlerin Karen LaMonte aus dem Jahr 2019 ist für Kurator Dedo von Kerssenbrock-Krosigk ein Highlight der wiedereröffneten Glassammlung im Düsseldorfer Kunstpalast. Sie umfasst 1.500 Werke aus 3.300 Jahren Kunst und Kunsthandwerk mit dem Material, das „grell-bunt und durchsichtig, zerbrechlich und fest“ sein könne.
Gemeinsam mit dem Start der Sonderausstellung „Mythos Murano“ können sich Besucher ab dem 19. November einen Eindruck von der neugestalteten, hauseigenen Sammlung mit Kunst und Alltagsgegenständen aus Glas verschaffen.
Eine Perle aus dem alten Ägypten aus der Zeit um 1.300 vor Christus gilt als das älteste Objekt, das sich einreiht in die Sammlung von Vasen aus dem antiken Rom, Gläsern und Kirchenfenstern aus dem Mittelalter, Jugendstil-Gefäßen, die in Frankreich oder Deutschland um 1900 gefertigt wurden oder Objekten aus den 1960er Jahren. „Die Sammlung des Kunstpalasts gilt als die bedeutendste in Deutschland und eine der wichtigsten weltweit“, sagt Museumsdirektor Felix Krämer am Mittwoch. Sie ist nach Jahren der Renovierung wieder zugänglich.
Glas sei gerade in der zeitgenössischen Kunst ein beliebtes Material, erläutert Krämer. Der Bildhauer Tony Cragg, der in Wuppertal lebt, habe in allen Phasen seines Schaffens damit gearbeitet. Der Kunstpalast zeigt eine Speisekammer-Skulptur, für die Cragg Schraubgläser mit eingelegten Würstchen, Erbsen, Kartoffeln oder Kürbisstücken zu einem Turm verbunden hat. „Er hat hier im Museum daran gearbeitet und vorher in einem aufwändigen Prozess die Gläser mit Sand bearbeitet, so dass sie matt wirken“, erzählt Kerssenbrock-Krosigk. Cragg wolle damit zeigen, dass im kommerziellen Prozess viele Formen von Glasbehältnissen verloren gingen, aber eine eigene Ästhetik entfalten können, wenn sie neu zusammengestellt würden.
Dass Cragg auch seine typischen geschwungenen Skulpturen aus Glas fertigen lassen kann, zeigt die begleitende Sonderausstellung „Mythos Murano“, die bis 5. Oktober 2025 zu sehen sein wird: „Die Locke“ heißt Craggs Werk aus honiggelbem Glas, das auf der Insel der venezianischen Glasmacher geschaffen wurde.
Während die Kunstwerke in den oberen Sälen einzeln zu betrachten sind, stehen in einer Spiegelgalerie im Untergeschoss hunderte von Objekten eng zusammen wie in einem Schaufenster: römische Kelche, ägyptischer Schmuck, mittelalterliche Kirchenscheiben, Jugendstil-Vasen, Obstschalen, Kerzenleuchter, Trinkgläser aus den 1960er Jahren.
Hier zeigt das Museum die schiere Größe seiner Sammlung. Sie ist nach Felix Krämers Wort weitgehend dem für Düsseldorf bedeutenden Architekten Helmut Hentrich (1905-2001) zu verdanken. Er habe jahrelang dem Museum 300 Stücke pro Jahr überlassen. Das sei für die Kuratoren Geschenk und Herausforderung gewesen, weil alles wissenschaftlich geprüft und katalogisiert werden musste.
Dass das Glas eine im Alltag oft lästige Eigenschaft hat, zeigt sich gleich neben dem Eingang: aus einer halb-offenen Tür quellen Scherben. Glas ist eben auch zerbrechlich.