Ausstellung "Radikal" wirft neues Licht auf Kunstgeschichte
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Moderne Galerie des Saarlandmuseums widmet Künstlerinnen der Moderne eine Schau
Moderne Galerie widmet Künstlerinnen der Moderne eine Schau
Saarbrücken (epd).

Der Beitrag von Künstlerinnen zur Abstraktion ist sehr viel größer als allgemein in der Kunstgeschichtsschreibung dargestellt. Zu diesem Schluss kommen die Kuratorinnen der Ausstellung „Radikal! Künstlerinnen und Moderne 1910-1950“, die derzeit in der Modernen Galerie des Saarlandmuseums in Saarbrücken zu sehen ist. Die Ausstellung fördere zutage, dass Frauen „veritable Spitzenleistungen“ zur Entwicklung der abstrakten Kunst beigetragen hätten, sagt die Kuratorin und Interims-Vorständin der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Kathrin Elvers-Svamberk, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Ein Grund für die bislang wenig beachtete Leistung von Frauen sei, dass angewandte Kunst häufig gering geschätzt werde. „Viele Künstlerinnen waren aber auf die angewandten Künste angewiesen, weil sie nicht an die Akademien durften“, betont Elvers-Švamberk. Diese Frauen hätten ihre abstrakten Experimente dann zum Beispiel am Webstuhl umgesetzt. Damit sei die Wertschätzung ihrer Arbeit geringer ausgefallen. Eine der Wiederentdeckungen der Ausstellung sei zum Beispiel Ida Kerkovius (1879-1970), die mit farbigen Wandbehängen vertreten sei. „Es ist ein Seherlebnis, das verdeutlicht, dass die dort eingeschlagen Wege lange Jahrzehnte nicht verstanden wurden.“

Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Museum Arnhem und dem Belvedere in Wien entstand, präsentiert bis zum 18. Mai 150 Arbeiten von rund 60 Künstlerinnen aus 20 Ländern. Zu sehen sind Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik, Textilarbeiten und Skulpturen - sowohl von nahezu vergessenen, als auch von bekannten Künstlerinnen wie Sonia Delaunay, Käthe Kollwitz, Sophie Taeuber-Arp oder Hannah Höch.

Zum Rahmenprogramm gehören den Angaben zufolge unter anderem eine feministische Themenwoche mit einem Poetry-Slam und einer Fachtagung zu „Strukturen des Vergessens - Künstlerinnen der Moderne“. Des Weiteren sind Erwachsenenworkshops zum Thema Holzschnitt und abstrakte Malerei geplant. Die Kulturstiftung der Länder und Saartoto fördern die Ausstellung.

Die traditionelle Kunstgeschichtsschreibung, die nach unterschiedlichen Kunst-Bewegungen unterscheidet, werde dem Werk der Künstlerinnen der Moderne oft nicht gerecht, erklärt Co-Kuratorin Meike Lander. Ziel der Ausstellung sei es deshalb gewesen, die Werke losgelöst von den althergebrachten Mustern der patriarchal dominierten Kunstgeschichte zu betrachten. „Es gibt unendlich viele Beispiele von Frauen, die in Avantgardeströmungen an den Rand gedrängt wurden und denen die Möglichkeit verweigert wurde, an bedeutsamen Ausstellungen teilzunehmen“, sagt Elvers-Svamberk.

Ein Beispiel in der Ausstellung sei Marie Laurencin (1883-1956), die wegen ihrer angeblich typisch weiblichen Ästhetik als Kubistin zweiter Klasse betrachtet worden sei. Nachdem Laurencin im Kreise der männlichen Kubisten auf Ablehnung gestoßen sei, sei sie ihren eigenen Weg gegangen. „Wenn wir von Künstlerinnen sprechen, müssen wir deshalb die individuelle künstlerische Praxis jenseits von Gruppierungen sehr sensibel in den Blick nehmen“, folgert Elvers-Švamberk aus diesem Beispiel.

Die Ausstellung sei auch für das Saarlandmuseum Anlass gewesen, die eigene Sammlung aus einer neuen Perspektive zu erforschen, erklären die Kuratorinnen. Ein Highlight sei dabei etwa die Entdeckung einer Grafik von Jacoba van Heemskerck (1876-1923) im museumseigenen Depot gewesen, von der das Museum Arnhem bereits einige Werke zu der Ausstellung beigesteuert hatte, sagt Lander. „Es war eine handkolorierte Holzschnitt-Version, von der wir gar nicht wussten, dass wir sie im Bestand hatten.“

Durch das Ausstellungsprojekt habe sich nicht nur der Blick in die Vergangenheit verändert, sagt Elvers-Švamberk. „Wir sind eine dieser klassischen westdeutschen Sammlungen, die ab Anfang der 1950er Jahre eurozentristisch und extrem männerdominiert angelegt wurden. Dieses Projekt soll auch ein Signal sein, dass wir uns anders orientieren.“ Bei künftigen Ankäufen müssten Künstlerinnen viel stärker berücksichtigt werden.

Von Claudia Rometsch (epd)