Der Prager Soziologe und Priester Tomas Halik ist in Bonn mit dem Ökumenischen Predigtpreis 2024 für sein Lebenswerk geehrt worden. Seine meditativen Predigten könnten in einer „Zeit der leeren Kirchen“ kirchliche Traditionen neu vermitteln, hieß es zur Begründung. Der emeritierte katholische Professor für Soziologie an der Universität Prag und Leiter der dortigen Universitätsgemeinde führe zudem einen ernsthaften Dialog mit dem Atheismus. Der Preis für die beste Predigt ging an die evangelischen Theologinnen Christine Böckmann und Salome Lang für eine gemeinsam gehaltene Dialogpredigt zum Thema sexualisierte Gewalt.
Der 1978 in Erfurt zum Priester ordinierte Halik rege dazu an, das Religiöse im Atheismus wahrzunehmen, sagte der evangelische Theologie-Professor und Jury-Vorsitzende Eberhard Hauschildt von der Universität Bonn in seiner Laudatio. Die Predigten des 76-Jährigen seien bewusst ehrlich im Blick auf die Gegenwartserfahrungen der Menschen. Der Bezug auf Bibel und kirchliche Traditionen sowie das kritische Nachdenken über säkulare Gegenwarts-Deutungen wurzelten bei Halik in einer gemeinsamen Basis. Er beschreibe die Begegnung mit Gott als Geheimnis, sagte Hauschildt. „In Zeiten wie den gegenwärtigen brauchen wir all dies mehr denn je.“
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Böckmann und die Vikarin Lang hielten die ausgezeichnete Predigt „Laute Stille“ zum Thema sexueller Missbrauch in der evangelischen Kirche im März in einem Universitätsgottesdienst in der Heidelberger Peterskirche. Thema war der Bibeltext über die drohende Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham. Die Theologinnen ließen die Erzählung in einen Dialog mit den Schweigemustern treten, von denen Opfer sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche berichteten. Die Predigt wende sich sowohl an die Gemeinde als auch an die Opfer, erklärte die Jury. Sie ringe in der Klage an Gott dennoch um Vertrauen zu ihm.
Erstmals wurde in diesem Jahr ein Preis in der Kategorie „Faithcast“ verliehen - der Begriff ist eine Zusammensetzung aus dem englischen Wort Faith (Glaube) und dem Begriff Podcast. Der theologische Laie Martin Christian Hünerhoff aus Tübingen und der Marburger Theologieprofessor Thorsten Dietz gehen in dem ausgezeichneten Podcast „Das Wort und das Fleisch“ den Verschiebungen in der christlichen Welt nach, von der christlichen Rechten in den USA bis zum XVIII. Europäischen Kongress für Theologie.
Der ökumenische Predigtpreis „zur Förderung der öffentlichen Redekunst in Kirche und Gesellschaft im deutschsprachigen Raum“ wird seit dem Jahr 2000 in Bonn verliehen und inhaltlich von den drei theologischen Institutionen an der Universität Bonn verantwortet. Dies sind die evangelisch-theologische und die katholisch-theologische Fakultät sowie das Altkatholische Seminar.
Zu den bisherigen Preisträgern gehören der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch (1925-2005), der Literaturhistoriker und Altphilologe Walter Jens (1923-2013), die Theologinnen Margot Käßmann und Annette Kurschus sowie die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Seit 2023 wird der Preis durch den Verlag am Birnbach unterstützt, der bundesweit Kirchengemeinden mit Arbeitsmaterialien, Geschenkartikeln und Literatur beliefert.