Angesichts massiver Sparzwänge muss sich die Evangelische Kirche im Rheinland nach den Worten ihres leitenden Theologen Thorsten Latzel neu aufstellen. Um weiter für andere da zu sein, müsse die zweitgrößte deutsche Landeskirche relevant für die Menschen und flexibel in den Formen sein, sagte der Präses am Montag vor der rheinischen Landessynode in Bonn. Zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer (SPD) wies er auf die wichtige Rolle von Kompromissen in der Demokratie hin.
Die Synode, das Kirchenparlament der 2,1 Millionen rheinischen Protestanten, soll in dieser Woche Einsparungen von mindestens 33 Millionen Euro auf den Weg bringen, das werde „auch den schmerzhaften Abschied von manchen wertvollen Arbeitsfeldern einschließen“, sagte Latzel. Er sei „sehr zuversichtlich“, was den Prozess der Haushaltskonsolidierung angehe: „Fürchten muss sich da überhaupt niemand.“
Trotz Inflation und Wirtschaftskrise, der höchsten Quote an Kirchenaustritten seit der Nachkriegszeit und eines „tiefen Abbruchs religiöser Verbundenheit zwischen den Generationen“ will Latzel die Kirche nicht auf ihre Krisen reduziert sehen. „Gerade auch im Prozess des Kleiner-Werdens und bei der anstehenden Haushaltskonsolidierung“ müsse in den strategischen Finanzüberlegungen mit Gott gerechnet werden, sagte er. Es gehe es um „eine zukunftsorientierte Neugestaltung von Kirche“.
Die Ausgaben im landeskirchlichen Haushalt sollen in den kommenden Jahren um gut ein Fünftel reduziert werden. Einschnitte soll es etwa bei der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo) durch einen Umbau zu einem theologischen Bildungscampus geben. Latzel sprach von einer Reaktion auf „die Bildungsherausforderungen unserer Zeit“, auch Ehrenamtliche benötigten mehr theologische Bildung. Von zentraler Bedeutung seien zudem der Religionsunterricht und die Konfirmandenarbeit.
In der Aussprache zu seinem Bericht ging es auch um die Chancen der Schulseelsorge. Diese habe „großes Potenzial“ und müsse ähnlich wie Polizei- und Krankenhausseelsorge aufgebaut werden, betonte er. Sie sei „unbedingt zu stärken“.
Besorgt äußerte sich der rheinische Präses über das politische Klima in Deutschland. Es habe ihn in der vergangenen Woche „erschreckt“, wie das demokratische Lager gespalten gewesen sei und die AfD davon profitiert habe. Am Mittwoch hatten Union, FDP und AfD gemeinsam für eine verschärfte Migrationspolitik gestimmt.
Latzel forderte die demokratischen Parteien auf, sich vor der Bundestagswahl am 23. Februar nicht „zerlegen oder auseinanderdividieren“ zu lassen. „Wir werden nach der Wahl sehr wahrscheinlich Koalitionen brauchen von Menschen, die zusammenarbeiten“, sagte der 54-jährige Theologe. Dazu brauche es Kompromissfähigkeit.
Ähnlich äußerte sich der rheinland-pfälzische Regierungschef Schweitzer: „Wir müssen wieder dafür werben, dass zu einer demokratischen Kultur auch gehört, dass man sich auf den Konsens hin bewegt und dass man dann sagt: Ich stehe hinter gemeinsamen Vorschlägen.“ Konsens sei ein Zeichen von Stärke und nicht von Schwäche.
Die Grundhaltung der AfD ist laut Latzel mit den Werten der christlichen Kirchen nicht vereinbar. Die Demokratie müsse sich wehrhaft zeigen, dazu „sollte man alle Instrumente bedenken“. Das könnte ein Parteiverbot oder ein Ausschluss von staatlicher Finanzierung sein, dies sei Sache von Fachleuten.
Gefahr für die Demokratie geht nach den Worten des Theologen auch von sozialen Medien aus: „Es geht hier um die Grundinfrastruktur unserer Kommunikation, und die ist in den Händen von einigen populistischen Superreichen.“ Zuletzt hatte der US-Multimilliardär Elon Musk als Besitzer der Plattform X unter anderem zur Wahl der AfD aufgerufen.
Die Landessynode ist das oberste Beratungs- und Entscheidungsorgan der rheinischen Kirche. Die 191 stimmberechtigten Mitglieder befassen sich bis Freitag mit einer Reihe von Vorlagen und Kirchengesetzen, wählen einen Teil der Kirchenleitung neu und verabschieden den Haushalt.