
Die evangelische Kirche und die Diakonie wollen einen weiteren Schritt bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt gehen. In den kommenden Wochen nehmen dafür deutschlandweit neun regionale Aufarbeitungsgremien, die sogenannten „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen“ (URAK), die Arbeit auf, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie in Hannover mitteilten.
Geplant sind neun dieser regionalen Kommissionen. Der Verbund West wurde bereits Ende Februar 2024 gegründet. Die Kommission wird für die Bereiche der rheinischen, westfälischen und lippischen Landeskirche zuständig sein und ist mit einer eigenen Geschäftsstelle bei der Diakonie RWL angesiedelt. Wie sechs weitere Kommissionen soll sie ihre Arbeit in den kommenden Wochen aufnehmen. ln Sachsen und im Verbund Niedersachsen und Bremen verzögert sich der Start.
Aus Sachsen hieß es, die Benennung der Mitglieder durch die Landesregierung und die Betroffenenvertretung werde voraussichtlich im April erfolgen. Dann werde die Kommission ihre Arbeit zügig aufnehmen. In der niedersächsisch-bremischen Kommission sind hingegen die Mitglieder zurückgetreten, die die niedersächsische Landesregierung benannt hatte.
Die frühere niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) und die Präsidentin der Klosterkammer Hannover, Thela Wernstedt, erklärten am Donnerstag auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), dass sie ihr Amt nicht antreten werden. Der Betroffenenvertreter Jakob Feisthauer sagte dem epd, die Betroffenen hielten die beiden Frauen aufgrund ihrer früheren oder aktuellen Mitgliedschaft in kirchlichen Gremien für befangen. „Eine Zusammenarbeit ergibt keinen Sinn, wenn die Betroffenen das nicht wollen“, sagte Niewisch-Lennartz. Feisthauer dankte beiden für ihren Rücktritt.
Niewisch-Lennartz war Mitglied der Synode der hannoverschen Landeskirche. Die Ärztin und frühere SPD-Landtagsabgeordnete Wernstedt war ebenfalls Synodenmitglied und gehört unter anderem dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages an.
Grundlage für die Kommissionen ist eine Vereinbarung über Standards zur Aufarbeitung von Missbrauch mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus, aus dem Dezember 2023. Darin heißt es, die Kommissionen müssten spätestens 15 Monate nach Unterzeichnung der Erklärung ihre Arbeit aufnehmen. Aufgaben dieser Gremien sind unter anderem, Fälle sexualisierter Gewalt zu erheben, Ursachen für Missbrauch aufzudecken und den Umgang mit Betroffenen zu analysieren. Mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz gibt es eine ähnliche Erklärung aus dem Jahr 2020.
In den Kommissionen sitzen neben Betroffenen, Expertinnen und Experten auch Vertreter der Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie. Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, dürften weniger als die Hälfte der Mitglieder Beschäftigte der evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören, hieß es. Die unabhängigen Experten sollen von den Landesregierungen benannt werden.