Wenn Digga auf den knorken Sportsfreund trifft
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Teenager und Handynutzung
Jugendsprache der Zoomer und Boomer
Mannheim, Münster (epd).

„Cringe“ (2021), „smash“ (2022) und „goofy“ (2023): Manch einer erfährt es aus der „Tagesschau“, dass die Jugend so spricht, wenn das „Jugendwort des Jahres“ präsentiert wird. Alljährlich wird es vom Langenscheidt Verlag gesucht: ein Begriff, den Jugendliche besonders häufig verwenden. In diesem Jahr sind „Talahon“, „Aura“ und „Schere“ die Finalisten. Am 19. Oktober soll das Siegerwort für 2024 auf der Buchmesse in Frankfurt am Main verkündet werden. Eine Suche, die TikToker und Influencer Levi Penell im Mai dieses Jahres im Internet mit einer Gegenaktion einmal umgekehrt hat.

Unter seinen jugendlichen Followern der Generation Z rief er online zur Abstimmung über das „Boomer-Wort des Jahres“ auf: Wenn die „Boomer“ nach einem neuen Wort suchten, welches die Jugend derzeit oft verwende, suche nun die Jugend nach einem „Retro“-Wort der Boomer-Generation, das heute viel zu selten genutzt werde. Als „Boomer“ gelten die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre.

Mehr als 116.400 Stimmen wurden bei der TikTok-Aktion abgegeben. Davon ging fast die Hälfte an das Siegerwort „Sportsfreund“. Weiter unter den Top Ten waren „schnabulieren“, „Papperlapapp“, „knorke“, „Firlefanz“ oder auch „steiler Zahn“ - Jugendsprache der älteren Generation.

Petra Storjohann vom Projekt „Lexikographie sprachlichen Wandels“ am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache Mannheim findet die Idee gut: „Solche Aktionen schärfen das Bewusstsein für Veränderungen im Bereich des Wortschatzes und sensibilisieren Jüngere für die individuellen Entwicklungsgeschichten von Wörtern.“ Es zeige sich, dass jüngere Menschen bestimmte Wörter genau dieser Generation gut zuordnen könnten, weil sie ihnen als auffällig erschienen. Jedoch sei sie sich nicht sicher, wie gut die meisten Ausdrücke tatsächlich verstanden würden, wenn man Jüngere gezielt nach ihren Bedeutungen fragen würde.

Dabei ist das, was junge Leute als Boomer-Sprache empfinden, ursprünglich auch mal Jugendslang gewesen: „Ein Kennzeichen zahlreicher Boomer-Wörter ist die Tatsache, dass die Ausdrücke oftmals in den Jugendjahren der Boomer-Generation aufkamen“, erläutert Storjohann. Beispiele seien Wörter wie knorke, Mucke (Musik), Gaudi, Schuppen (Disko, Club), Tüte (Joint), Fluppe (Zigarette) und schnuppe (egal). Wörter, die sich bei einigen Menschen bis ins Alter in der Alltagssprache gehalten haben.

„Nur wenige Ausdrücke waren dabei Englisch; hier sei nur 'cool' erwähnt, das etwa 1950, beeinflusst durch die amerikanische Popkultur, Eingang in die Jugendsprache und später in die Allgemeinsprache fand“, erklärt sie. Allgemein spiegelten viele Ausdrücke die damalige Jugendkultur wider, die stark von Musik und Partys geprägt gewesen sei. Einige dieser Wörter hätten überlebt und würden heute noch verwendet, „während andere veraltet wirken und daher von Jüngeren bewusst gemieden werden“, sagt Storjohann,

Nils Bahlo von der Universität Münster arbeitet und lehrt zur Jugendsprachforschung. Die eine Boomer-Sprache gebe es ebenso wenig wie die eine Jugendsprache, betont er. Auf der Oberfläche aber lasse sich bei allen Jugendsprachen immer ein renoviertes, aktualisiertes, angepasstes Lexikon beobachten. „Die neuen Wörter passen sich dem Sprachgebrauch der Umgebung an“, erklärt Bahlo. Entscheidend für die Variationen seien die Zeit, in der gesprochen werde, die Region, die Situation und das Milieu.

Social Media hätten den größten Einfluss darauf, wie Jugendliche heute sprächen, schreibt der Langenscheidt-Verlag. Sie konsumieren und verbreiten intensiv Inhalte aus der Popkultur, Musik, Film, Computerspiele, Memes im Internet. „Diese Inhalte beeinflussen ihre Sprache stark, und sie sorgen für neue Begriffe und Ausdrucksweisen im täglichen Sprachgebrauch“, betonte Storjohann. Durch Social Media und die Globalisierung hätten junge Menschen Zugang zu vielfältigen kulturellen Einflüssen und Sprachmustern aus aller Welt. Dabei spiele Englisch schon recht lange die entscheidende Rolle.

Wobei auch Verwendungsweisen für entlehnte englische Ausdrücke entstünden, die es in der Herkunftssprache nicht immer gebe (etwa „safe!“ für „garantiert“, „auf jeden Fall“). Auffällig sei, dass viele Ausdrücke derzeit einsilbig seien, was auf das Bedürfnis nach schnellen Reaktionen in der Kommunikation schließen lasse: lost, swag, cringe, sheesh, sus.

„Jugendliche nehmen Anpassungen für ihre Bedürfnisse vor“, sagte Storjohann. Sprache diene ihnen oft als Mittel, um ihre Gruppenzugehörigkeit und Identität auszudrücken. Jugendsprache helfe ihnen, sich von älteren Generationen abzugrenzen und eine eigene, unverwechselbare Identität zu schaffen. „Das gilt für jede neue Generation“, betont sie. Abstimmungen über Jugendworte und Boomer-Worte können also durchaus auch Anlass werden für einen Dialog zwischen den Generationen, wenn quasi Digga auf den knorken Sportsfreund trifft.

Von Claudia Kroll-Kubin