"Klima-Klage": Oberlandesgericht kündigt Entscheidung im April an
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Gerichtssaal
Germanwatch wertet Verfahren als Erfolg
Hamm (epd).

Das Oberlandesgericht Hamm hat im Rechtsstreit zwischen dem peruanischen Kleinbauern Saúl Luciano Lliuya und dem Essener Energiekonzern RWE die Beweisaufnahme abgeschlossen. Lliuya äußerte die Hoffnung, dass das Gericht bei der Verkündung am 14. April eine Verantwortung für Energieunternehmen feststelle. RWE kritisierte, Klimaziele gehörten auf die politische Agenda und nicht in einen Gerichtssaal. (AZ: 5 U 15/17)

In der mündlichen Verhandlung hatten zuvor Experten die durch den Klimawandel verursachten Risiken unterschiedlich bewertet. Im Mittelpunkt standen mögliche Gefahren für das Haus des Klägers durch eine Flutwelle oder Schlammlawine. Der Bauer will erreichen, dass RWE sich an den Kosten für Schutzmaßnahmen vor der Erderwärmung in seiner Heimat beteiligt.

Die zwei vom Gericht bestellten Gutachter schätzten die Gefahr einer Gesteinslawine oder Überschwemmung für das peruanische Dorf als gering ein. In den letzten Jahren seit 2016 sei lediglich eine Bewegung des Gesteins von rund 20 Zentimetern feststellbar gewesen, hieß es. Die Wahrscheinlichkeit eines Vorfalls, der in den nächsten 30 Jahren das Grundstück des Klägers beeinträchtigen könnte, liege bei nur wenigen Prozent.

Hingegen warnte ein von der Klägerseite geladener Experte einer internationalen Permafrost-Vereinigung, dass die festgestellte Bewegung der Felsmassen um 20 Zentimeter ein Anzeichen dafür sei, dass das Gebirge in Bewegung sei.

Der Kläger macht das Energie-Unternehmen mit Sitz in Essen wegen des Betriebs von Kohlekraftwerken für den Klimawandel mitverantwortlich. Die Klimakrise sei eine Realität, „mit der wir tagtäglich konfrontiert sind“, sagte Lliuya nach Angaben von Germanwatch. Er hoffe, dass das Gericht den nächsten Schritt gehe, um die Verantwortung von RWE abschließend zu klären.

Die Klage stützt sich laut dem Unterstützungsnetzwerk, dem unter anderem die deutsche Umweltorganisation Germanwatch angehört, auf Paragraf 1004 Bürgerliches Gesetzbuch. Darin heißt es: „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.“

Die Anwältin des Klägers, Roda Verheyen, bekräftigte, dass die Gefahr für das Haus des peruanischen Bauern real sei. Wie auch immer das Gericht entscheiden sollte, es sei erfreulich, dass das Gericht „so klar die Haftung von großen Emittenten wie RWE für Klimaschäden und -risiken bekräftigt“ habe.

Der Vorstand Politik von Germanwatch, Christoph Bals, erklärte: „Für die größten Emittenten unter den Unternehmen bedeutet die Einschätzung des Gerichts, dass ihr Emissionsausstoß von nun an mit einem handfesten finanziellen Risiko behaftet ist.“ Die Politik müsse die großen Emittenten „verbindlich und geordnet für die angerichteten Schäden und den Schutz vor Risiken zur Kasse bitten“.

Das Unternehmen RWE erklärte hingegen, die Verhandlung habe klargemacht, „dass die Klage nicht begründet ist“. Der gerichtliche Sachverständige habe dargelegt, dass in absehbarer Zeit keine Flutgefahr bestehet, die das Eigentum des Klägers bedrohe. RWE habe sich „an alle geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ gehalten. Zudem gehörten „Klimaziele auf die politische Agenda und nicht in einen Gerichtssaal“.

Bei dem Zivilrechtsstreit geht es konkret um die Frage, inwieweit der Kläger und seine Familie von einer möglichen Flutwelle aufgrund des stark angewachsenen Gletschersees Palcacocha bedroht sind.

Im Jahr 2017 hatte das Oberlandesgericht entschieden, dass es einen zivilrechtlichen Anspruch zum Schutz von durch die Klimakrise Betroffenen gegen einen großen Emittenten wie den Energiekonzern RWE grundsätzlich für schlüssig hält. In Deutschland ist das Verfahren der erste maßgebliche Fall dieser Art.