Eva Erben hält die Erinnerung an den Holocaust wach
Eva Erben
Eva Erben bei einem Vortrag in der Zeppelinhalle in Friedrichshafen.
«In Auschwitz verstanden wir überhaupt nicht, wo wir sind»
Stuttgart/Aschkelon (epd)

Wenn Eva Erben erzählt, hängen ihr die Menschen an den Lippen. Die 94-Jährige füllt Säle, Aulen, Hallen.
Erst jüngst sprach sie vor 2.000 Jugendlichen in der Messehalle in Villingen-Schwenningen. Eva Erben ist Jüdin. Und Holocaust-Überlebende. Eine von noch rund 245.000 weltweit, wie aus einer Demografie-Studie der Jewish Claims Conference hervorgeht.

Etwa die Hälfte von ihnen lebt in Israel. Auch Eva Erben. Sie ist in Aschkelon zu Hause. Als am 7. Oktober 2023 palästinensische Terroristen Israel angriffen, schlug eine Rakete direkt neben ihrem Haus ein. Ob sie denn keine Angst gehabt habe, möchte eine Schülerin wissen. «Ich sterbe nicht jung», antwortet die 94-Jährige mit einem Lächeln.

Dabei hätte sie jung sterben sollen, wäre es nach dem Willen der Nationalsozialisten gegangen. Eva Erben wuchs in einer Unternehmerfamilie in Prag auf. Als sie acht Jahre alt war, entdeckte sie an ihrer Lieblingskonditorei plötzlich ein Schild, auf dem stand «Hunde und Juden haben keinen Zutritt». Drei Jahre später, 1941, wurde die Familie zunächst ins KZ Theresienstadt deportiert, später nach Auschwitz. «Theresienstadt konnte man überleben, wenn man Glück hatte», erinnert sie sich. «In Auschwitz verstanden wir überhaupt nicht, wo wir sind. Dass es so einen furchtbaren Platz auf der Erde gibt.»

Ihr Vater wurde in Auschwitz ermordet. Ihre Mutter starb an ihrer Seite auf einem Todesmarsch. In ihrem Buch «Mich hat man vergessen» erinnert sich Eva Erben so an die für sie traumatische Erfahrung: « Es tut mir leid, Eva. Ich muss dich verlassen, ich kann nicht mehr. Sie küsste mich und sah mich mit Augen an, aus denen der Tod starrte.» Die kleine Eva sollte als einzige ihrer Familie den Holocaust überleben - abgemagert auf 28 Kilogramm. 1949 wanderte sie nach Israel aus - und sprach fortan 40 Jahre lang kein Deutsch mehr: «Ich wollte nichts mehr mit Deutschland zu tun haben.»

«Das hören wir von vielen Holocaust-Überlebenden», sagt Gottfried Bühler. Nicht wenige hätten Jahrzehnte gebraucht, um wieder damit anzufangen, die «Sprache der Täter» zu sprechen. Bühler ist Vorsitzender des in Stuttgart ansässigen deutschen Zweiges der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ). Das Werk hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, Überlebende des nationalsozialistischen Völkermordes an den Juden zu unterstützen.

«Viele von ihnen müssen mit sehr kleinen Renten zurechtkommen», weiß Bühler. Das Sozialsystem in Israel sei bei weitem nicht so gut wie in Deutschland. Schätzungen zufolge leben rund 40.000 Holocaustüberlebende in Israel unterhalb der Armutsgrenze. Auch deshalb hat die ICEJ gemeinsam mit der israelischen Organisation «Helfende Hände» 2010 in Haifa eine Wohnanlage für Holocaustüberlebende eingerichtet. Rund 70 Menschen leben dort. Bühler spricht vom «berühmtesten Altersheim der Welt». Medien aus aller Herren Länder seien bereits dort gewesen, um zu berichten.

Ein weiteres Ziel der ICEJ ist es, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten und an Schulen darüber zu informieren. «Noch haben wir die Möglichkeit, Zeitzeugen berichten zu lassen», sagt Gottfried Bühler. Das Interesse vonseiten der Schulen sei ungebrochen groß. Eva Erben will ihre Geschichte erzählen, solange sie kann. Ihre Botschaft an die Jungen: «Verzweifelt nie im Leben! Der Mensch hat immer Kraft. Als wir nackt in Auschwitz standen, wusste ich nicht, woher die Kraft kommen soll. Aber sie war da.»

Von Matthias Pankau (epd)