Zu groß für ein einziges Leben
Lechler
Paul Lechlers vielseitiges Wirken hat bis heute nachhaltige Spuren hinterlassen.
Vor 100 Jahren starb der Unternehmer und Wohltäter Paul Lechler
Stuttgart/Tübingen (epd)

Paul Lechler war erfolgreicher Unternehmer, überzeugter Christ, Sozialreformer und Wohltäter. Vom Bau der Tübinger Tropenklinik bis zur Gründung des Stuttgarter Hymnus-Knabenchors: Sein vielseitiges Wirken war eigentlich zu groß, um in ein einziges Leben zu passen. Bis heute hat es nachhaltige Spuren hinterlassen.

Geboren wurde Paul Lechler am 28. November 1849 in Böblingen als einziges Kind eines Apothekers. Gestorben ist er am 24. April 1925, also vor 100 Jahren, in Stuttgart. Mit 22 Jahren stieg er mit unternehmerischem Geschick in Stuttgart-Feuerbach in die Lack- und Firnisfabrik seines Vaters «Christian Lechler & Sohn» ein. Nach dessen Tod 1878 verkaufte Paul Lechler die Firma, gründete aber bereits ein Jahr später in Metzingen die nächste. Die dortige Firma Lechler ist heute Europas Marktführer in Düsentechnologie mit weltweit 900 Mitarbeitenden. Auf Paul Lechler geht auch der weltweit agierende Autozulieferer ElringKlinger zurück.

Im Jahr 1875 traf Paul Lechler zwei wichtige Entscheidungen. Er heiratete Maria Hartenstein, aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Außerdem reagierte er auf die soziale Notlage und Armut der Fabrikarbeiter. Er vereinbarte mit seinem Vater, künftig zehn Prozent des Unternehmensgewinns «zugunsten der Armen und Bedürftigen jeder Art» zu verwenden, nach dem Vorbild des «biblischen Zehnten». Dieser Praxis blieb er sein Leben lang treu. Heute führt die 1928 von seinem Sohn Paul Lechler junior gegründete Lechler-Stiftung das soziale Engagement des Seniors weiter.

Auf die Initiative von Paul Lechler hin wurde 1914 der Grundstein für das Tropengenesungsheim unterhalb der Tübinger Eberhardshöhe gelegt. Zwei Jahre später, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde es eröffnet. Schon zuvor hatte Lechler in Stuttgart den «Verein für Ärztliche Mission» gegründet, der 1906 in Frankfurt am Main zur Gründung des «Deutschen Instituts für Ärztliche Mission» (Difäm) führte, im Oktober 1909 dann zum gleichnamigen Verein in Tübingen, bis heute Träger der Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus.

Lechler engagierte sich nicht nur mit Geld, sondern auch mit den eigenen Händen, etwa als ehrenamtlicher Armenpfleger in Stuttgart. Dort gründete er auch im Jahr 1900 die Hymnus-Chorknaben, einen der ältesten Knabenchöre im Südwesten. Anlass war ein geschäftlicher Besuch in Leipzig, wo Lechler den Thomanerchor gehört hatte. So etwas müsse es auch in Stuttgart geben, befand er. Er bat deshalb die Kirche, einen Knabenchor zu gründen, und finanzierte diesen selbst. Der Chor wurde 1922 wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgelöst, aber 1931 neu gegründet - auf Initiative von Paul Lechler junior. Dieser bemühte sich auch 1946 um die Wiederbelebung.

Paul Lechler sah nicht nur die Not der städtischen Arbeiter, sondern auch die große Not von Familien im ländlichen Raum. Ende 1887 gründete er den «Verein zur Hilfe in außerordentlichen Notstandsfällen auf dem Lande». In den ersten zehn Jahren unterstützte dieser Verein 9.000 Familien. Der Nothilfeverein besteht bis heute und hilft von Stuttgart aus Menschen in Notlagen schnell und unbürokratisch. Lechler hielt grundlegende soziale Reformen für nötig und gründete 1882 in Stuttgart ein «Büro zur unentgeltlichen Arbeitsvermittlung». In den ersten elf Jahren leitete er diese erste private Arbeitsvermittlung in Stuttgart selbst.

Ebenfalls 1882 initiierte und finanzierte Paul Lechler in Stuttgart den Bau des früheren Martinshauses samt Kapelle und einer Kinderschule auf der Prag. 1890 stiftete er in Freudenstadt das Palmenwald-Gelände zur Errichtung eines christlichen Erholungsheims - heute ist daraus ein Wellnesshotel geworden. Er machte Vorschläge zum gemeinnützigen Bauen - und wurde damit zu einem der Wegbereiter des sozialen Wohnungsbaus und der Bausparkasse.

Paul Lechler wurde für sein Lebenswerk vielfach geehrt. 1909 erhielt er den Preußischen Kronenorden sowie das Ritterkreuz des Ordens der Württembergischen Krone. Im selben Jahr wurde ihm die Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultät Tübingen verliehen und er wurde in den Adelsstand erhoben.

«Unser Christentum darf nicht nur Weltanschauung sein, sondern muss sich durch die Tat bewähren», sagte Paul Lechler. Sein vielseitiges Wirken beweist, wie ernst er das meinte.

 

Von Peter Dietrich (epd)