Am Ende des Stücks rühren sich alle Hände, doch hört man kaum etwas von diesem Beifall. Nur wenige der kleinen und großen Besucherinnen und Besucher im Stadttheater Konstanz klatschen. Die schweigende Mehrheit streckt die Hände nach oben und schüttelt dazu begeistert die Handgelenke. Was zunächst fremd wirkt, hat beim Stück «Auf die Insel fertig los» seinen tieferen Sinn: Eine der drei Schauspielerinnen ist gehörlos. Adriane Große bedient sich der Gebärdensprache, während ihre Kolleginnen Alicia Bischoff und Kristina Lotta Kahlert sprechen.
Erstmals hat das Theater ein inklusives Stück in Laut- und Gebärdensprache für Menschen ab drei Jahren im Programm. Es funktioniert: Die vielen kleinen und großen Zuschauer - unter ihnen viele Menschen ohne Gehör - sind begeistert. Sie applaudieren auf ihre Weise - stumm, aber mit flatternden Händen.
Das Stück taucht ein in die Fantasie von Kindern und begibt sich auf eine wundersame Reise mit Tanz, Schauspiel, Musik, Gebärden- und Lautsprache. Der Inhalt ist schnell erzählt: Ein Mädchen schläft ein, träumt und findet sich in ihrem Traum auf einer Insel wieder. Dort herrschen andere Regeln - nämlich fast keine. Nach dieser nächtlichen Reise auf die fantastische Insel darf das Mädchen wieder zurück in ihre Normalwelt.
Die drei Schauspielerinnen arbeiten schnell und akrobatisch. Ihre Kunst besteht in der Verständigung zwischen den beiden Hörenden und der gehörlosen Akteurin. Die einen reden, die gehörlose Adriane Große verständigt sich über die Gebärdensprache mit großer Virtuosität.
Diese Sprache ist ein ausgefeiltes Mittel der Kommunikation. Sie besteht aus Handzeichen, wobei die Finger die Hauptrolle spielen. Dazu kommen die Mimik und die Körperhaltung. Alle drei körperlichen Tätigkeiten bilden das komplexe Gebilde der Gebärdensprache.
Im Publikum entfacht der gestische Dialog zwischen den Schauspielerinnen immer wieder spontanen Beifall. Die Regie führte Ulf Goerke. Einige Gehörlose hatten die Gelegenheit genutzt und besuchten das erste Mal in ihrem Leben ein Theater, in dem sie das Stück verstehen konnten.
Wenn Dramen oder Komödien sonst aufgeführt werden, werden die Dialoge konventionell gesprochen und Menschen ohne Gehör ausgeschlossen. Das Stadttheater Konstanz mit seiner Intendantin Karin Becker will diese gewohnte Selbstverständlichkeit aufbrechen.
«Das Theater Konstanz hat sich der Weiterentwicklung von mehr inklusiver Teilhabe verpflichtet», heißt es dazu. Bereits vor einem Jahr habe man damit begonnen. Nun wird der Weg der Inklusion verstärkt. Mit dem neuen Stück agiere erstmals eine gehörlose Schauspielerin mit hörenden Kolleginnen, das ist das eigentlich Besondere. Rund 20 Aufführungen sind im November und Dezember geplant, darunter viele Schulvorstellungen.