Im Anfang war die Begeisterung. Als der schwäbische Industrielle Paul von Lechler im Jahr 1900 geschäftlich Leipzig besuchte, erlebte er dort auch einen Auftritt des weltberühmten, im Jahre 1212 gegründeten Thomanerchors. Von Lechler war so beeindruckt vom Gesang des Knabenchors, dass er meinte, so etwas müsse es auch in Stuttgart geben. Er wandte sich an die Kirche mit der Bitte, einen Knabenchor ins Leben zu rufen. Die Finanzierung übernahm er selbst.

Von Lechler ging es auch darum, in Zeiten der Industrialisierung junge Männer von der Straße zu holen und sie sinnvoll zu beschäftigen. Gesang schien ihm angemessen. Bis heute ist der Hymnus - anders als sein Leipziger Vorbild - daher auch kein Internatschor. In seinen Anfängen soll der Chor bis zu 300 Mal pro Jahr aufgetreten sein.

Die ersten Jahrzehnte des Chors waren bewegt. 1925 aufgelöst, wegen fehlender Finanzierung, wurde er 1931 neu gegründet. Ab 1933 geriet der Chor immer stärker unter Druck, sich zum Nationalsozialismus zu bekennen und organisatorisch einzugliedern, sodass er 1939 erneut aufgelöst wurde. In seiner heutigen Form wurde der Chor 1946 neu gegründet.

«Schwerpunkt der Chorarbeit ist seit jeher die geistliche Musik der letzten 500 Jahre», sagt Rainer Johannes Homburg, der den Knabenchor seit 2010 leitet. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Musik Johann Sebastian Bachs, der von 1723 bis zu seinem Tod 1750 Leipziger Thomaskantor war und dort auch den Thomanerchor leitete. «Junge Menschen wollen keinesfalls nur Pop oder Jazz singen», sagt Homburg. «Bach begeistert Jugendliche und junge Erwachsene bis heute.»

Der Hymnus ist der einzige evangelische Knabenchor in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und wird vom Evangelischen Kirchenkreis Stuttgart getragen. Gegenwärtig singen rund 140 Jungen und Männer im Alter zwischen 5 und 30 Jahren bei den Hymnus-Chorknaben. Vor der Corona-Pandemie seien es rund 220 gewesen, so Homburg. «Wir arbeiten daran, diese Stärke wieder zu erreichen.» 40 Konzerte stehen jedes Jahr auf dem Programm des Knabenchors.

Zu den Höhepunkten im Jubiläumsjahr gehören der «Elias» von Felix Mendelssohn Bartholdy am 14. Mai in der Liederhalle in Stuttgart und die «Donnerode» von Georg Philipp Telemann am 28. September im Club Wizemann in Stuttgart. Und natürlich ganz viel Bach.