Viele Schwalben verenden auf dem Weg nach Süden
Erfurt (epd).

Der Naturschutzbund Thüringen (Nabu) rechnet mit großen Lücken in der heimischen Schwalbenpopulation für mindestens fünf Jahre. Die Vögel seien auf ihrem diesjährigen Zug in den Süden Mitte September in einen verfrühten Wintereinbruch geraten und zu Tausenden erfroren, sagte der Nabu-Ornithologe Tino Sauer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im kommenden Frühjahr werde nur ein Bruchteil der Vögel den Weg zurück nach Mitteldeutschland finden. Es dauere vermutlich ein halbes Jahrzehnt, bis das Vorkommen durch Nachbruten wieder das Niveau von 2024 erreiche.

Es ist laut Sauer schon seit Jahren zu beobachten, dass immer weniger Zugvögel nach Deutschland zurückkehren. „Wir wissen nicht, wieso das so ist“, sagte der Vogelkundler. Aber es falle den Tieren immer schwerer, ihre Bestände zu halten. Im Falle der Schwalben sei etwa als ein Grund ausgemacht worden, dass nach dem Sturz des libyschen Herrschers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 die mittels Tiefbrunnen betriebene Landwirtschaft in Nordafrika größtenteils aufgegeben worden sei. Damit hätten die Vögel wichtige Rastplätze auf ihrem Weg in ihre mittelafrikanischen Winterquartiere verloren. „Vielen Arten wird zudem immer noch mit Fallen nachgestellt“, sagte Sauer.

Schwalben seien in Thüringen aufgrund der geringen Urbanisierung des Landes vergleichsweise häufig anzutreffen. Zählungen hätten ergeben, dass in einem Ort mit 100 Gebäuden etwa 20 bis 30 Schwalben lebten. „In manch altbundesdeutschen Dörfern sieht das schlechter aus“, sagte Sauer. Das liege auch daran, dass dort viele Häuser „schwalbenunfreundlich“ modernisiert worden seien.

Grundsätzlich sei während der vergangenen Jahre zu beobachten, dass sich die Vögel immer später in ihre Winterquartiere begeben. Solange das Nahrungsangebot stimme, blieben die Tiere vor Ort. Bedingt durch den Klimawandel sei etwa für die Insektenfresser der Tisch noch bis in den September hinein gedeckt. „Erst wenn die Insekten mit dem Einsetzen der kälteren Witterung weniger werden, begeben sich die Vögel auf ihren Zug nach Süden“, sagte Sauer.

Zu beobachten sei auch immer häufiger, dass Zugvögel überhaupt nicht mehr gen Süden flögen. Greifvögel fänden etwa immer noch ausreichend Nahrung, solange kein Schnee liege. Dasselbe gelte für Störche. Einer von zehn Thüringer Störchen überwintere im Freistaat. Von ihnen hätten einige zuletzt eine besondere Strategie entwickelt. „Es gibt inzwischen einige Störche in Mittelthüringen, die sich im Winter vom Erfurter Zoo durchfüttern lassen“, sagte der Ornithologe.

epd-Gespräch: Matthias Thüsing