Das Land Brandenburg stellt die seit August 2024 geltende EU-Wiederherstellungsverordnung für geschädigte Ökosysteme vorläufig außer Vollzug. Landwirtschafts- und Umweltministerin Hanka Mittelstädt (SPD) begründete diesen Schritt am Mittwoch in Potsdam mit fehlenden rechtlichen Vorgaben auf EU- und Bundesebene, wie diese Verordnung konkret umgesetzt werden soll.
Führende Fachjuristen gingen davon aus, dass ein Vollzug der Verordnung auf Landesebene erst erfolgen kann, wenn der Bund auf gesetzlichem Wege Verfahrensregeln erlässt, sagte Mittelstädt. Wahrscheinlich werde dazu eine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes notwendig.
Die Ministerin betonte, das Land Brandenburg strebe grundsätzlich eine Umsetzung der Verordnung im Konsens mit Naturschutz und den Interessen der Landnutzer an. Deshalb werde unter Federführung ihres Ministeriums auch ein Workshop mit Landnutzer- und Umweltorganisationen stattfinden, in dem der mögliche Vollzug der europäischen Wiederherstellungsverordnung besprochen werde.
Bis zur Erreichung dieses Konsenses würden „keine vollendeten Tatsachen geschaffen“. Es gehe nicht darum, „irgendeine nicht näher definierte Natur“ zu schützen, sondern die Kulturlandschaften im Konsens mit berechtigten Naturschutzinteressen weiterzuentwickeln.
Die europäische Wiederherstellungsverordnung verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten dazu, geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen. Ziel ist, bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und mindestens 20 Prozent der Meeresfläche der EU Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen.
Große Zustimmung bekam Mittelstädt von den Land- und Forstflächenbesitzern. Brandenburg habe mit der Aussetzung des Vollzugs die richtige Entscheidung getroffen, erklärte der Vorsitzende des Verbandes der Familienbetriebe Land und Forst e. V., Max von Elverfeldt, am Mittwoch. Wiederherstellungsmaßnahmen müssten auf freiwilliger Basis und im Rahmen partnerschaftlicher Kooperationen erfolgen.
Zwangsmaßnahmen oder unklare Auflagen würden nicht nur Betriebe belasten, sondern auch sinnvolle Naturschutzmaßnahmen verhindern. „Wir erwarten ein klares Bekenntnis der Bundesregierung, dass Eingriffe in das Eigentum und die wirtschaftliche Tragfähigkeit unserer Betriebe nicht akzeptabel sind“, so Elverfeldt.
Dagegen sprachen die Brandenburger Grünen von einem Skandal und klarem Rechtsbruch. „Alle Befürchtungen, dass die Ministerin den Schutz der Brandenburger Natur zugunsten der Interessen der Agrarlobby aufgibt, bestätigen sich“, kritisierte der Brandenburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Michael Kellner.
Brandenburg könne sich nicht einfach aus EU-Recht verabschieden. Die Verordnung gelte unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, und das Land habe sie umzusetzen, „ob es der SPD-geführten Landesregierung passt oder nicht“, sagte Kellner. Was die Mittelstädt hier betreibe, sei ein gefährliches Verzögerungsspiel, das nicht nur den dringend nötigen Naturschutz torpediere, sondern auch finanzielle Risiken für Deutschland heraufbeschwöre.