Die Kältebusse der Berliner Stadtmission
Berlin (epd).

Initiiert wurden die Kältebusse im Jahr 1994 von drei Menschen, nachdem ein obdachloser Mensch in einer kalten Berliner Nacht erfroren war. Er hatte keine Kraft mehr, selbst einen warmen Unterschlupf aufzusuchen. Karen Holzinger, Ulrich Neugebauer und Gunnar Fiedler, damals Sozialarbeiter in der City-Station der Berliner Stadtmission, wollten das nicht hinnehmen.

Sie schnappten sich einen ungenutzten „Bulli“, der auf dem Gelände der Stadtmission stand, und fuhren los. Das war der erste Einsatz eines Kältebusses. Der Bus war immer sonntags bis donnerstags unterwegs und nur, wenn es in der Nacht kälter als drei Grad war. Denn damals fuhren am Wochenende die Berliner S-Bahnen noch ohne nächtliche Unterbrechung durch und obdachlose Menschen konnten sich dort vor der Kälte schützen.

Durch eine Spende des „Tagesspiegel“ konnte dann 1996 der erste richtige Kältebus angeschafft werden. Seither fahren die Kältebusse im Winter Nacht für Nacht durch die Stadt und suchen Orte auf, an denen wohnungslose Menschen übernachten. Sie haben Schlafsäcke, heißen Tee und Suppe dabei und bieten den obdachlosen Menschen an, sie in eine Notunterkunft zu bringen. Das Ziel ist, sie vor dem Kältetod zu bewahren.

In der Wintersaison 1996/97 legte der Kältebus noch 5.300 Kilometer zurück. Ab 2014 waren bereits zwei Busse im Einsatz. Sie kamen zusammen auf 15.000 Kilometer pro Wintersaison. Seit dem Start 1994 haben die Kältebusse von der Strecke her da schon dreimal die Erde umrundet.

Weitere zehn Jahre später, in der Saison 2023/24 waren es mehr als 31.000 Kilometer. Die mittlerweile drei Kältebusse brachten insgesamt 1.580 obdachlose Menschen in eine warme Notunterkunft. Was in den drei Jahrzehnten dagegen gleich geblieben ist: Bis heute sind die Kältebusse zu 100 Prozent spendenfinanziert.

Nicht nur die Kilometer werden mehr, auch die Zahl der Obdachlosen wächst und die Arbeit wird von Jahr zu Jahr schwerer, wie Kältebus-Fahrer Matthias Spreemann zu berichteten weiß. So habe etwa die Zahl von körperbehinderten Obdachlosen in Rollstühlen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Mittlerweile machten diese Menschen zehn bis 20 Prozent der Hilfsbedürftigen aus. Wer komplett bewegungseingeschränkt sei, beispielsweise amputierte Beine habe, für den gebe es praktisch keine Plätze in den Notunterkünften. „Wir haben große Not, diese Menschen unterzubringen, weil die Notunterkünfte nicht barrierefrei sind“, sagte Spreemann, der bereits im sechsten Jahr den Kältebus fährt.

Zudem werde für diese Menschen praktisch eigenes Pflegepersonal gebraucht, was die Stadtmission aber nicht leisten könne. Der Kältebus-Fahrer beobachtet zudem eine eindeutige Zunahme von Menschen mit psychischen Auffälligkeiten unter den Obdachlosen.

Das zeigt auch der Blick in die Statistik der von der Stadtmission betriebenen Notunterkunft am Hauptbahnhof mit eigentlich 127 Plätzen. Die Unterkunft war vergangenen Winter mit 137 Gästen nicht nur jede Nacht überbelegt. Es gab in der Zeit auch 343 medizinische Notfälle, das bedeutete mehr als zwei pro Tag. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter erlebten 32 Suizidversuche und -absichten, in 21 Fällen wurden sie von Gästen geschlagen, getreten oder angespuckt. Geschultert wurde die Arbeit dort im Winter 2023/24 hauptsächlich von 26 hauptamtlichen und 80 regelmäßigen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unterstützt wurden sie von rund 250 unregelmäßig tätige Ehrenamtlichen.

Von Markus Geiler (epd)