Der Roman „Europas Hunde“ ist bei der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet worden - in Belarus ist er verboten. Zahlreiche Exemplare des Buches von Alhierd Bacharevic haben die Machthaber seines Heimatlandes im Acker vergraben lassen. Traktorenschaufeln haben sie quasi unsichtbar gemacht. Auch aus Bücherläden und Bibliotheken sind sie verschwunden. Doch Bacharevic sagt, die Literatur habe eine Kraft - trotz aller Repressionen.
Die Leipziger Buchmesse, die am Sonntag zu Ende ging, würdigte seinen Roman mit dem Buchpreis für Europäische Verständigung. Laut Jury „kann man leidenschaftlicher von Europa und seinen Abgründen nicht erzählen“. Bacharevic betont: „Literatur verleiht unserem Schmerz Sinn. Und dieser Sinn ist meine Hoffnung.“
Der 1975 in Minsk geborene Autor lebt im Exil. Er sei inzwischen Schriftsteller und Widerstandskämpfer zugleich, sagt er. Er habe sich das nicht ausgesucht. „Die Luft in meinem Europa zittert und riecht wie im August 1939“, formuliert Bacharevic seine Sicht auf aktuelle Entwicklungen und appelliert: „Wir dürfen die Freiheit nicht im Namen von Kompromissen verraten.“
Von Donnerstag bis Sonntag präsentierten sich auf der Leipziger Buchmesse unter dem Motto „Worte bewegen Welten“ 2.040 Verlage und Aussteller aus 45 Ländern. Schon zur Halbzeit wurde mit 96.000 Besucherinnen und Besuchern ein neuer Rekord aufgestellt. Insgesamt wurden nach Veranstalterangaben fast 300.000 Menschen erreicht. Es seien 296.000 Besucherinnen und Besucher gezählt worden, rund 13.000 mehr als im vergangenen Jahr, hieß es zum Abschluss am Sonntag.
Am Einlass bildeten sich morgens lange Menschenschlangen. Danach konnten die Gäste Prominente wie die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, den Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen, Fußballstar Christoph Kramer, Entertainer Hape Kerkeling, den Sänger Peter Maffay und Thriller-Autor Sebastian Fitzek erleben.
Rednerinnen und Redner, Autorinnen und Autoren appellierten, erinnerten und mahnten. Sie sprachen die Zeichen der Zeit und die Gefahren für die Demokratie an. Genau das ist es wohl, was Buchmessechefin Astrid Böhmisch sich gewünscht hatte: Die Buchmesse soll ein Ort für gesellschaftliche Debatten sein. Neu war unter anderem das Gesprächsforum „Mensch & KI: Schöne neue Welt?“ zu Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz (KI).
Zugleich hat die Leipziger Buchmesse auch ein buntes, ein unkonventionelles Gesicht. Zur Manga-Comic-Con kamen vorwiegend junge Leute in farbenfrohen Kostümen - wenig bekleidet oder auch komplett verhüllt, mit Perücken, Schwertern und anderen Accessoires mischten sie sich unter das Messepublikum.
Den Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse erhielt für viele überraschend Kristina Bilkau für „Halbinsel“, ein Buch über eine Mutter-Tochter-Beziehung, ein eher leises Werk mit wachem Gegenwartsempfinden. Favoriten wie Christian Kracht („Air“) und Wolf Haas („Wackelkontakt“) gingen dagegen leer aus.
Wie politisch relevant die Buchmesse ist, zeigen unter anderem die weiteren Gewinner-Titel: In der Kategorie Sachbuch setzte sich Irina Rastorguevas Analyse „Pop-up-Propaganda. Epikrise der russischen Selbstvergiftung“ durch. Als Übersetzer wurde Thomas Weller für „Feuerdörfer“ mit dem Buchmesse-Preis geehrt. Er hatte Augenzeugenberichte von NS-Verbrechen in Belarus erstmals ins Deutsche übertragen.
Mahnende Worte formulierte unter anderem der Historiker Wolfgang Benz, der ein neues Buch über die deutsche Erinnerungskultur geschrieben hat. „Es steht die demokratische Verfasstheit auf dem Spiel“, sagte der 83-Jährige. Demokratie sei mit Blick auf Frieden und ein freundliches Miteinander alternativlos. Benz plädiert für eine engagierte, aber sachliche Erinnerungskultur zur NS-Zeit - ohne Pathos und Verfälschung.
Literatur hat offenbar für die Demokratie noch immer eine Bedeutung. Die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, fasst es so zusammen: Es gebe die „positive Kraft des Wortes“, aber Worte könnten auch ausgrenzen, sexistisch oder rassistisch sein. Sie betont: „Wenn wir wollen, dass unser Wortschatz ein Schatz bleibt, sollten wir achtsam sein mit den Worten.“