Auch nach 40 Jahren bleibt der Wiederaufbau der Semperoper in Dresden ein Ereignis: Die prächtige Rekonstruktion nach historischem Vorbild von Gottfried Semper (1803-1879) lässt bis heute viele Menschen staunen. Als zweites Königliches Hoftheater 1878 in Betrieb genommen, wurde das Gebäude im Februar 1945 bei Bombenangriffen zerstört und erst 1985 wiedereröffnet.
Ausschließlich sächsische Firmen meisterten damals die Mammutaufgabe des Wiederaufbaus. Hilfe aus dem Ausland ließ die DDR-Staatsführung aus politischen Gründen nicht zu. Handwerkstechniken mussten mithilfe historischer Literatur neu entwickelt und gelernt werden, obwohl sie zum Beispiel in Italien oder Westdeutschland durchaus gepflegt wurden.
Insofern war der Wiederaufbau des Dresdner Theaters mitten im Kalten Krieg auch ein Politikum. Nach fast acht Jahren Bauzeit öffnete die rekonstruierte Oper dann am 13. Februar 1985. In Anwesenheit von DDR-Staatschef Erich Honecker kam „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber zur Aufführung - und damit das letzte Stück, das vor der Schließung der Oper am 31. August 1944 gezeigt worden war. Genau 40 Jahre nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg feierten Zehntausende Menschen bei klirrender Kälte auf dem Theaterplatz die meisterliche Vollendung des Opernbaus nach Plänen von Semper.
Einer der Architekten des Wiederaufbaus war Dietrich Berger. Er kam 1976 als junger Mann zur Denkmalpflege in Dresden. Im selben Jahr fasste die SED-Führung den Beschluss, die Semperoper wiederaufzubauen. Das Projekt wurde für Berger wie für andere Beteiligte zum Lebenswerk. Inzwischen führt der Rentner Gäste durch die Oper. Der 81-Jährige betont die „unglaubliche Euphorie“, die über die gesamte Zeit Bauzeit angehalten habe: „Wir hatten so viel Motivation.“
Dabei war von einer Rekonstruktion der Semperoper lange Zeit keine Rede gewesen. Zwar hatten engagierte Denkmalschützer und andere Enthusiasten die Ruine mehrfach gesichert, Stahlträger eingesetzt und ein Notdach installiert. Doch eine Oper mit Fassade im Stil der italienischen Hochrenaissance war in den sozialistischen Aufbauplänen generell nicht vorgesehen.
Zudem war die Ruine in einem desolaten Zustand. Der spätere Chefarchitekt des Wiederaufbaus, Wolfgang Hänsch, beschrieb es einmal so: „Keiner, der das zerstörte Theater kannte, wird den Eindruck seines toten Inneren vergessen können.“ Es habe ein „hoffnungslos erscheinender Zustand“ überwunden werden müssen.
Doch die Denkmalpfleger blieben hartnäckig. Schließlich ließ sich die DDR-Regierung nicht nur vom Bau eines Opernhauses in Dresden überzeugen, sondern auch von der historischen Fassung, wohl auch, weil sie im Kalten Krieg ein Prestigeobjekt brauchte. Als Bausumme wurden 250 Millionen Ost-Mark und eine Million Westmark veranschlagt.
Heute gehört die Semperoper mit rund 90 Prozent Auslastung der insgesamt 1.300 Plätze zu den bestbesuchten Theatern Deutschlands. Intendantin Nora Schmid sagt: „Das Haus zählt künstlerisch zu den führenden Bühnen und steht in einer Reihe mit Wien, Mailand, Paris, München und Berlin.“ Bekannt sei es auch für seine hervorragende Akustik.
Originale Baupläne von Semper gab es für den Wiederaufbau zwar einige. Doch vieles der historischen Innenausstattung mussten die Architekten, Handwerker und Künstler mühsam nach Fotos und Zeichnungen fertigen.
Laut Dietrich Berger erlebte das Team dabei „viele glückliche Zufälle und Wunder“. Er erinnert sich an den Anruf einer 84-jährigen Frau, die den Nachlass ihres Großvaters sortierte. Sie war die Enkelin von Wilhelm Andreas Schaberschul, den Semper einst mit der Ausmalung des Hauses beauftragt hatte. Die alte Dame war auf ein paar Mappen gestoßen, die sie nicht zuordnen konnte. Doch wie sich herausstellte, lagen darin die Originalentwürfe für die ornamentale Ausmalung des Erdgeschossfoyers und der oberen Vestibüle.
Auch für den von Ferdinand Keller entworfenen Schmuckvorhang wurde überraschend ein Entwurf gefunden. Ausreichend Platz für das neu zu schaffende Gemälde auf Leinwand fand sich im Palais im Großen Garten am Rande des Stadtzentrums. Als das 17 mal 12 Meter große und 400 Kilogramm schwere Kunstwerk fertig war, sollte es zusammengerollt in einem Fußmarsch zur Oper getragen werden. „Es wäre für jeden der Beteiligten eine Ehre gewesen, dort mitzuwirken“, sagt Berger.
Doch der Fußmarsch, immerhin etwa drei Kilometer, fiel wegen eines zeitgleichen Staatsbesuchs aus. Das Tragen des Vorhangs durch die Stadt sollte nicht zelebriert werden: Die DDR-Führungsriege fürchtete, dass dies als Demonstration aufgefasst worden wäre. Stattdessen wurde das Schmuckstück mit einem Bootswagen transportiert und nur auf den letzten Metern in die Oper getragen.
Heute sind der Zuschauerraum, die Foyers und Vestibüle sowie die Außenhülle der Semperoper historisch rekonstruiert, wenn auch mit Anpassungen an ein zeitgemäßes Theater. Unter anderem wurde das Parkett schräg gelegt, es steigt nun an wie im Kino. Und natürlich ist alles, was die Gäste in der Regel nicht sehen, modern: das Hinterhaus mit Bühne und der Funktionsanbau.