Sensationsfund: 25 Jahre Himmelsscheibe von Nebra
Nebra (epd).

Die Aktion war illegal - und eine weltweite Sensation: Vor 25 Jahren, am 4. Juli 1999, waren zwei Sondengänger auf dem Mittelberg bei Nebra im südlichen Sachsen-Anhalt an der Grenze zu Thüringen unterwegs. Nahe dem Gipfel spürten die Raubgräber mehrere Gegenstände aus Bronze auf und buddelten sie aus. Darunter befand sich der wohl größte archäologische Fund des 20. Jahrhunderts: die Himmelsscheibe von Nebra.

Die Scheibe mit 32 Zentimetern Durchmesser zeigt die weltweit wohl älteste Darstellung astronomischer Phänomene: die Sonne, oder je nach Deutung den Vollmond, eine Mondsichel sowie 32 goldene Sterne. Das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle, wo die Himmelsscheibe seit 2008 ausgestellt ist, schätzt das Alter auf rund 3.600 Jahre. Sie gibt tiefe Einblicke in das astronomische Wissen, über das die Menschen der damaligen Zeit verfügten. Seit 2013 gehört die Himmelsscheibe von Nebra zum Unesco-Dokumentenerbe „Memory of the world“.

In ihr vereinen sich Wissen und Mystik: Auf der Scheibe erscheint ein Schiff in nächtlicher Fahrt über den „Himmelsozean“. Nach Angaben des Landesmuseums für Vorgeschichte ist das Schiff hier erstmals in Europa als zentrales mythisches Symbol überliefert.

Dabei mutet die Geschichte, wie der Sensationsfund schließlich in die Hände professioneller Archäologen kam, wie ein Krimi an: Die Himmelsscheibe ging mehrere Jahre durch die Hände von Hehlern und Händlern, wurde mehrfach verkauft. Zwischenzeitlich soll sie für eine Million D-Mark angeboten worden sein.

Schließlich bot sich Sachsen-Anhalts Landesarchäologe Harald Meller inkognito als möglicher Käufer an. Daraufhin konnte die Polizei die Scheibe im Februar 2002 im schweizerischen Basel sicherstellen, in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt, dem Kultusministerium und dem Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt. Die Raubgräber und die Hehler wurden später zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt.

Über das tatsächliche Alter des Fundes ist in den Folgejahren mehrfach spekuliert worden. Hilfreich für die Forscher war, dass neben der Himmelsscheibe noch weitere Objekte gefunden wurden, darunter Schwerter, Meißel, Beile und Armspiralen. Ihr Entstehungsdatum ließ sich auf die frühe Bronzezeit um mindestens 1.600 v. Chr. datieren. In den Schwertgriffen aus Holz wurden laut Landesmuseum Reste von Birkenrinde aus dem 16. oder 15. Jahrhundert v. Chr. entdeckt - ein weiterer Hinweis auf das Alter der Himmelsscheibe.

Diese Darstellung war allerdings nicht unumstritten: Im Herbst 2020 behaupteten zwei Forscher aus München und Frankfurt am Main, die Scheibe sei rund 1.000 Jahre jünger als gedacht. Sie stellten sowohl den Fundort bei Nebra als auch den Zusammenhang mit den anderen gefundenen Gegenständen in Zweifel. Ihnen zufolge ist der Fund der Eisenzeit zuzuordnen - und der Rekord als älteste erhaltene Himmelsdarstellung wäre hinfällig gewesen.

Landesarchäologe Meller und seine Mitstreiter widersprachen heftig - und bekamen Unterstützung aus Mannheim: Am dortigen Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie wurden der Fundort wie auch das vermutete Alter der Himmelsscheibe bestätigt. Sowohl die verwendeten Materialien, die entdeckten Erdreste als auch Untersuchungen mit der Radiokarbonmethode bestätigten demnach die Datierung in die frühe Bronzezeit.

Das stellte auch die Touristiker in Sachsen-Anhalt zufrieden, die die kleine Bronzescheibe für sich entdeckt haben: 2007 eröffnete im Unstruttal nahe dem Fundort ein fast 60 Meter langes Besucherzentrum in Form einer Sonnenbarke mit einer riesigen Panoramascheibe, die „Arche Nebra“. Dort soll die Geschichte der Himmelsscheibe, die ja gar nicht vor Ort ausgestellt wird, erlebbar werden. Bereits mehrfach ging die Himmelsscheibe auf Reisen, war schon in Ausstellungen in Kopenhagen, Wien, Basel sowie im British Museum in London zu sehen.

Und auch im 25. Jahr des Sensationsfundes sollen Jugendliche über die Himmelsscheibe an die Welt der Archäologie herangeführt werden: Vom 1. bis 12. Juli finden die jährlichen „Himmelsscheibenwochen“ statt. Die Kinder gießen dann beispielsweise kleine Himmelsscheiben aus Zinn, außerdem bietet der Schmied Frank Trommer Workshops zum prähistorischen Bronzeguss und Feuermachen an. So erfüllt die kleine Bronzescheibe auch heute einen wichtigen Zweck: Sie zeigt, dass Wissenschaft nicht nur trocken ist, sondern immer auch ein Stück Faszination für das Unbekannte.

Von Oliver Gierens (epd)