Orchestergewerkschaft sieht Kultur durch Rotstift bedroht
Berlin (epd).

Die Deutsche Musik- und Orchestervereinigung Unisono sieht angesichts der Sparpolitik in Kommunen und Ländern die Vielfalt von Kulturveranstaltungen zunehmend bedroht. Dem klassischen Konzertbetrieb drohe kein Publikumsschwund, die Auslastungen seien oft erfreulich hoch. Vielmehr drohe den Einrichtungen der Rotstift, sagte Unisono-Geschäftsführer Gerald Mertens am Mittwoch in Berlin. Die Vereinigung ist die Gewerkschaft der Berufsmusiker in Deutschland.

Selbst große Häuser wie das Konzerthaus Berlin hätten bereits wegen kurzfristiger Etatkürzungen in der laufenden Spielzeit Veranstaltungen streichen müssen, sagte Mertens. Ticketpreise für Konzerte und Einnahmen der Orchester seien weitestgehend ausgereizt.

Hinzu komme, dass viele kommunale Träger von Orchestern und Theatern zeitweilig schon in ein Defizit gerutscht seien. Die inflationsbedingten hohen Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst seien nicht in die Haushalte eingeplant worden. Zudem wollten manche Bundesländer ihre Zuschüsse nicht entsprechend erhöhen.

In vielen Häusern komme noch ein Investitionsstau hinzu. Die Sorgen um den baulichen Zustand vieler Spielstätten würden wachsen, sagte Mertens.

Er beklagte einen „rückläufigen öffentlichen Grundkonsens“ zur öffentlichen Kulturförderung. Immer mehr Politiker seien „weniger kulturaffin“. Nötig sei eine politische Debatte über die Bedeutung öffentlich geförderter Kultur. Die Absage von Eigenproduktionen und Festivals als Folge der Sparpolitik sei kontraproduktiv „für die Gewinnung von mehr Publikum“.

Private Sponsoren wollten aber keine öffentlichen Haushaltslöcher stopfen, sagte Mertens. Der Anteil des Kultursponsorings liegt laut Unisono bei rund 250 Millionen Euro im Jahr. Das seien etwa vier bis fünf Prozent der öffentlichen Kulturfinanzierung.

Nach Angaben der Musikergewerkschaft haben die deutschen Berufsorchester und -chöre für die Spielzeit 2023/24 genau 14.988 Veranstaltungen gemeldet. Das war gegenüber dem Vor-Corona-Niveau 2017/18 ein leichter Rückgang um 1,3 Prozent. Befragt wurden insgesamt 138 Ensembles, darunter die 129 Berufsorchester und sieben Rundfunkchöre.

Mit 15 Prozent mehr regulären Sinfonie- und Chorkonzerten gegenüber 2017/18 setzten die Klangkörper verstärkt auf ihr Kerngeschäft und eine Stabilisierung der Eigeneinnahmen, sagte Mertens. Dafür wurden Kammermusik, „Education“-Angebote und Auslandskonzerte reduziert.

Zwar seien die musikpädagogischen Angebote gegenüber 2017/18 um rund 400 Veranstaltungen auf insgesamt 5.940 zurückgegangen. Zugleich gab es aber bei den Kinder- und Jugendkonzerten in Schulen eine erhebliche Steigerung um 828 auf insgesamt 2.145 Veranstaltungen. Hinzu kamen 1.690 Workshops und Instrumentenpräsentationen in Schulen.

Während die Zahl der Berufsorchester in Deutschland nach der Wiedervereinigung von 1992 bis 2018 von 168 auf 129 abnahm, ist seitdem die Anzahl konstant. Anfang 2024 gab es laut Unisono 9.770 Planstellen. Die Gewerkschaft vertritt nach eigenen Angaben 90 Prozent der festangestellten Berufsmusiker sowie etwas mehr als die Hälfte der frei schaffenden Musiker in Deutschland.