Hohe Kunst abseits der Metropolen
Vom Verkauf ihrer Werke können nur wenige Kreative in Thüringen leben
Erfurt (epd).

Das Licht aus dem „Haus zum Bunten Löwen“ erleuchtet die abendliche Gasse auf der Erfurter Krämerbrücke. Zur Vernissage in die beiden Räume hinter den Schaufenstern sind mehr als 50 Menschen gekommen. Die Künstlerin, Annett Schauß, lebt und arbeitet seit drei Jahren vom Eichsfeld aus. Freunde, Künstlerkollegen und ein guter Teil der Erfurter Kulturszene betrachten ihre Zeichnungen oder diskutieren über sie.

„Ich entdecke gerne neue Orte und Menschen“, sagt die 60-jährige Grafikerin und Malerin. Geboren in Berlin und jahrzehntelang wohnhaft an der Grenze zum Land Brandenburg, sei ihr der Umzug in das Thüringische leicht gefallen, als ihr Mann einen alten Bauernhof in Uder im Eichsfeld erbte. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ - das Zitat des Religionsphilosophen Martin Buber (1878-1965) ist auch das Thema vieler ihrer Werke. Letztlich hätte sie sich also auch ein Leben an anderen Orten vorstellen können.

Thüringen aber, sagt Schauß, ist in vielerlei Hinsicht eine gute Wahl. Die Mitschaffenden im Verband Bildender Künstler Thüringen seien offen für gemeinsame Projekte. Der Freistaat biete ihr Möglichkeiten, sich kunstpädagogisch zu betätigen. Das ist ihr wichtig. Erst im Februar hat sie in ihrem Heimatort mit Schülern ein Unterrichtsprojekt per Ausstellung beendet. Und Berlin sei auch nicht so weit von Nordthüringen entfernt, falls sie einmal Sehnsucht nach Galeriebesuchen und Szenetreffen habe.

360 Mitglieder zählt der Verband Bildender Künstler Thüringen, darunter Maler, Fotografen, Bildhauer und Schmuck-Designer. Aufgenommen wird, wer eine entsprechende Ausbildung oder eine anerkannte Handschrift in seinem Werk vorweisen kann. Allein vom Verkauf der Werke zu leben, ist jedoch bundesweit für die meisten Künstler eine Kunst an sich. So stellt der zuletzt 2019 erhobene bundesweite Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes fest, dass rund 74 Prozent der Erwerbstätigen in der Bildenden Kunst in diesem Jahr weniger als 2.000 Euro netto im Monat generierten.

Auch für Thüringen schätzt Michaela Hirche die Verdienstmöglichkeiten nicht anders ein. „Viele Mitglieder arbeiten nebenberuflich oder haben neben der Kunst als Haupterwerb noch andere Einnahmequellen“, sagt die Verbandsgeschäftsführerin. Aus ihrer Sicht wird die Zukunft des Kunststandortes Thüringen auch davon abhängen, inwieweit Förderprogramme, Stipendien und kulturelle Angebote der öffentlichen Hand weiter erhalten bleiben. „Viele Mitglieder verdienen sich in Vermittlungsprojekten, Museen oder Jugendkunstschulen Geld hinzu, das ihnen ihre künstlerische Betätigung erst ermöglicht“, sagt Hirche. Hier also dürfe nicht gekürzt und die vorhandenen Kompetenzen sollten im Bereich der kulturellen Bildung genutzt werden.

Nahezu weggefallen ist der früher einmal auch bei Landesbauten übliche Ankauf von Werken über das Programm „Kunst am Bau“. Darunter wird eine Verpflichtung des Freistaats verstanden, einen gewissen Anteil der Baukosten öffentlicher Bauten für Kunstwerke zu verwenden. Hirche erinnert an die vielen öffentlichen Aufgaben, die ihr Verband übernimmt, darunter Gutachtertätigkeiten oder die Mitwirkung in Preisgerichten. Das müsse beachtet werden, auch wenn die Haushaltsmittel knapp seien.

Für die Hirche ist klar: „Thüringer Kunst muss sich qualitativ nicht verstecken.“ Das beweise nicht zuletzt die regelmäßig vom Verband organisierte Kunstmesse artthuer. Kunst und Kunstmarkt folgten ohnehin bisweilen verschiedenen Gesetzen, weiß Hirche. Und auch Annett Schauß hat bereits festgestellt, dass ein Unterschied zwischen Kunstmetropolen und dem Künstlerdasein im ländlichen Raum darin besteht, dass der Wert der Kunst nicht immer sofort gesehen wird. Wie oft werde sie gebeten, Entwürfe doch umsonst zu Papier zu bringen.

Im Zweifel also verkauft sich Kunst eben doch etwas besser in Städten wie Erfurt, Berlin und München. Dort leben kann man als Kunstschaffender, muss man aber nicht.

Von Matthias Thüsing (epd)