Mit Pferd und Wagen für den Frieden
80 Jahre nach Kriegsende soll in Berlin eine Friedensfahrt starten
Rathenow (epd).

4.800 Kilometer, elf Länder, acht Monate, ein Ziel: Am 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Weltkriegsendes 1945 soll in Berlin ein Friedenstreck aufbrechen. Mit Pferd und Wagen wollen die Frauen und Männer eine aus Militärschrott gegossene Glocke aus Deutschland, dem Land der Täter, nach Israel bringen. Am 8. Mai soll es losgehen. Zum Weihnachtsfest 2025 wollen die Friedensfahrer Jerusalem erreichen.

Die Idee ist vor ein paar Jahren entstanden, lange vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, lange vor dem Hamas-Überfall auf Israel und dem darauf folgenden Krieg. Der erste Treck habe historisierend und an Migrationsgeschichten erinnernd von Brügge im belgischen Flandern nach Brück im brandenburgischen Fläming geführt, erzählt Pfarrer Helmut Kautz. Dann ging es zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs 2018 mit einer Friedensglocke nach Weliki Nowgorod in Russland.

„Da kam dann die Frage auf, was machen wir danach“, erzählt der 54-jährige, der so etwas wie das öffentliche Gesicht der Friedensfahrer ist und zugleich Begeisterung und eine Art Verwunderung über den eigenen Wagemut ausstrahlt, wenn er über die Pläne spricht: „Und dann entstand die Idee, nach Jerusalem zu fahren, und diese Idee hat sich in unseren Köpfen Nester gebaut.“ Seitdem wird trainiert, auch einmal jährlich mit einem mehrwöchigen Treck mit Pferd und Wagen durch deutsche Regionen und ins benachbarte Ausland.

Eine der Mitstreiterinnen ist Viola Köhler. Die frühere Hausärztin aus Rathenow macht ihr Gespann mit zwei ausrangierten Trabrennpferden an diesem Wintertag für eine Trainingsfahrt bereit. Decken für die beiden Wallache werden gebraucht. Es sieht nach Regen aus, schnell wird noch eine Plane über den Wagen gezogen. Dann geht es los, ein paar Straßen entlang, dann durch den Wald bei Rathenow, rund zehn Kilometer werden es an diesem Tag.

Dass sie einen Wagen auf längeren Strecken durchs Land ziehen sollen, hätten die beiden Pferde erst lernen müssen, erzählt die 66-Jährige. Am Berg nicht einfach stehenbleiben, weil es anstrengend wird, gemeinsam mit passendem Tempo laufen, obwohl die Traber auf der Rennbahn normalerweise gegeneinander antreten. Rund 60 Kilometer pro Woche sind die Tiere mit Wagen und Wagenlenkerin auf Achse.

Nach Weliki Nowgorod sei sie mehr aus Abenteuerlust mitgefahren, erzählt Viola Köhler. Die Friedensidee habe sie zunächst eher belächelt. „Dann habe ich miterlebt, wie wir bei der Fahrt durch die Pferde mit den Menschen ins Gespräch gekommen sind“, sagt sie: „Das war sehr bewegend. Und dann habe ich mir gedacht, wenn ich mit meinen Pferden Frieden bringen kann, fernab von der großen Politik, dann mache ich das.“

Die unsichere Lage in einigen Ländern, die der Treck ab Mai durchqueren will, treibt die Friedensfahrer um. Vorsichtshalber werden deshalb zwei Varianten geplant, wenn es brenzlig wird, könnte der Treck in der Türkei aufs Schiff wechseln und auf dem Seeweg nach Israel gelangen. Doch Kopfzerbrechen bereiten auch ganz andere Sachen. Eine davon ist eine Mücke in Rumänien, die für Pferde gefährliche Krankheiten übertragen kann. Auch dafür muss eine Lösung her.

Für die Fahrt würden noch rund 200.000 Euro benötigt, erzählt Pfarrer Kautz. Das Futter für die Tiere und andere notwendige Sachen sollen davon bezahlt werden. Drei Gespanne sind bisher für die gesamte Tour fest eingeplant, eine Krankenschwester will mitfahren, ein Zimmermann, zwei Landwirte, ein deutscher Wirt aus Sri Lanka, Kirchenmitglieder und Atheisten. Viola Köhler wird nur am Anfang mit dabei sein. Mehr als drei Wochen am Stück schaffe sie als Wagenlenkerin ohne Ablösung nicht mehr, sagt sie.

Helmut Kautz ist fest entschlossen, trotz der aktuellen Kriege und Konflikte an der Friedensvision festzuhalten. „Wir haben zwar keine Antworten, aber wir wollen das nicht verloren geben, dass einmal Frieden sein wird“, sagt der Pfarrer der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Die Glocke aus Militärschrott soll am Ende an eine Schule in Jerusalem übergeben werden, an der Araber, Juden, Muslime und Christen gemeinsam lernen und unterrichten.

Von Yvonne Jennerjahn (epd)