Kopischke: Kirche muss sich auf Kernaufgaben besinnen
Dessau-Roßlau (epd).

Mit weniger als 25.000 Mitgliedern ist die Evangelische Landeskirche Anhalts die kleinste in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Anfang Dezember wählte sie nach drei Anläufen den Berliner Pfarrer Karsten Wolkenhauer zum neuen Kirchenpräsidenten. Bis er im kommenden Frühjahr sein Amt antritt, leitet Oberkirchenrat Matthias Kopischke vorübergehend die Landeskirche. Und die sieht sich mit wachsenden Problemen konfrontiert.

epd: Waren Sie erleichtert, als am 6. Dezember endlich der neue Kirchenpräsident gewählt wurde?

Matthias Kopischke: Ja, das kann man so sagen. Ich war erleichtert, dass die Wahl so geglückt ist. Aufgrund der Vorerfahrung war man da etwas in Sorge. Dass wir jetzt einen neuen Kirchenpräsidenten haben, ist für mich eine gute Nachricht.

epd: Drei Anläufe waren nötig, um einen Nachfolger für Joachim Liebig zu bestimmen. Hat dieser lange Prozess der Landeskirche geschadet?

Kopischke: So direkt kann man das nicht sagen. Es gab sicherlich Reibungsverluste für diejenigen, die die Arbeit des fehlenden Kirchenpräsidenten übernehmen mussten. Diese Zeit war nicht ohne Anstrengung, sodass manche Dinge nicht aufgenommen werden konnten oder länger gedauert haben und nachgearbeitet werden müssen.

epd: Was muss jetzt geschehen, um wieder Frieden in die Landeskirche zu bringen?

Kopischke: Es gibt keinen Unfrieden in der Landeskirche, so würde ich das nicht sehen. An manchen Stellen müssen wir jetzt wieder mehr Ruhe und Kontinuität hineinbringen. Als Landeskirchenrat werden wir uns gemeinsam mit der Synode aufstellen und einen Plan entwickeln, wie wir jetzt die nächsten Schritte angehen. Es geht darum, was in Zukunft unsere Priorität in der Arbeit sein wird. Wir müssen da auch schauen, wo wir auf manche Dinge verzichten müssen, um die Landeskirche durch die nächsten Jahre zu führen.

epd: Weitere Probleme kommen hinzu: Die Landeskirche hat immer weniger Mitglieder, bis 2060 soll die Zahl auf 11.000 sinken. Welche Existenzberechtigung hat eine so kleine Kirche dann noch?

Kopischke: Die Frage kann man auch umgekehrt stellen: Warum hat eine so kleine Kirche keine Existenzberechtigung? Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir in der kirchlichen Landschaft eine Vielfalt abbilden und dass wir es schaffen, als Landeskirche weiter bei den Menschen zu sein und die Frohe Botschaft verkünden. Das ist der Kern unserer Arbeit. Wie das gelingen kann und wie wir auf Menschen zugehen, die nicht zu unseren Mitgliedern gehören, dafür gibt es gute Beispiele und das muss in Zukunft noch ausgebaut werden.

Ansonsten geht es um die Funktionalität: Wie können wir als kleine Landeskirche so unterwegs sein, dass wir den Ansprüchen genügen, die von den Gemeinden verlangt werden? Dass das möglich ist, davon bin ich überzeugt. Es ist nicht zwangsläufig bewiesen, dass größere Einheiten an der Stelle besser oder effektiver arbeiten würden. So lange wir das in guter Weise hinbekommen, nutzen wir die Vorteile einer kleinen Landeskirche: Wir sind näher bei den Menschen, die Hierarchien sind flacher und die Wege kürzer. Wir müssen nur kontinuierlich daran arbeiten, dass wir gut im Gespräch bleiben. Wenn das gelingt, dann gibt es durchaus eine hohe Existenzberechtigung.

epd: Auch finanziell sieht es nicht gut aus: Die Einnahmen aus der Kirchensteuer sinken mittlerweile, auch der Finanzausgleich der evangelischen Landeskirchen steht auf der Kippe. Erwartet die Kirche jetzt eine neue Sparrunde?

Kopischke: Man kann nicht von einer neuen Sparrunde sprechen. In allen Landeskirchen, auch bei uns, muss gespart werden. Das werden wir auch angehen. Der Weg hat gut begonnen mit dem anhaltischen Verbundsystem, bei dem sich Gemeinden das hauptamtliche Personal teilen. Da werden wir weitergehen und genauer hinschauen, wie es möglich ist, effektiver in der Kirche unterwegs zu sein. Und wir müssen uns auf unsere Kernaufgaben besinnen, an ihnen weiterarbeiten und diese vertiefen. Das bedeutet, dass wir Dinge, die nicht als Kernaufgaben ausgemacht werden, sein lassen. Diese Analyse steht jetzt an und wird mit besonderem Nachdruck geführt werden.

epd: Dazu passt ja auch die Jahreslosung für 2025: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Was ist denn in der anhaltischen Kirche das Gute und Bewahrenswerte, und was ist verzichtbar?

Kopischke: Ein gewisses verwurzelt sein, die Möglichkeit, Kommunikationswege kurzzuhalten, und miteinander gut unterwegs zu sein - das ist das Gute und Bewahrenswerte. Wir haben einen reichen Schatz an Kirchen, an wertvollen Kirchengebäuden. Das Projekt „Lichtungen“, bei dem zeitgenössische Glasmalereifenster in zumeist mittelalterliche Kirchen eingebaut werden, zieht beispielsweise Menschen von außerhalb an. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt wird die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien sein - das hat die Synode bereits signalisiert. Da gibt es tolle Projekte, die müssen wir weiter vertiefen. Ansonsten werden wir schauen, wo sich Dinge in der Zusammenarbeit mit anderen Playern vor Ort, zum Beispiel Vereinen, neu entwickeln lassen.

epd: Weihnachten steht vor der Tür - es ist auch ein Fest der Hoffnung. Was macht Sie hoffnungsvoll, dass die Kirchen trotz der starken Entchristlichung weiter Menschen im Land erreichen können?

Kopischke: Was mich hoffnungsvoll macht, ist die Aussage des Weihnachtsfestes in der biblischen Überlieferung. Da ist von einem kleinen Kind in der Krippe die Rede, und davon, dass sich Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten treffen und miteinander unterwegs sind. Aus solchen Punkten ziehe ich die Kraft. Das sind unsere Aufträge an die Kirche, hier vermittelnd unterwegs zu sein und stark bei den Menschen zu bleiben. In der Wahlsynode habe ich das Gefühl gehabt, es gibt so etwas wie eine Aufbruchsstimmung unter den Synodalen. Sie wollen mit dieser Landeskirche weitergehen. Das müssen wir nach draußen tragen, indem wir immer wieder Impulse setzen und den Menschen Mut machen.

Es ist wichtig, miteinander ins Gespräch zu gehen. Ich glaube, es gibt auch in Zukunft immer wieder Menschen, die sich engagieren und mit der Kirche unterwegs sein wollen. Das ist für mich ein Hoffnungspunkt. Die müssen wir erreichen und gemeinsam einen Weg gehen, der unsere Gesellschaft wieder ein wenig wärmer macht und Hass oder Auseinandersetzungen eindämmt. Das geht nur, wenn man die Wärme des Weihnachtsfestes etwas mitnimmt in die Zeit danach und im zwischenmenschlichen Miteinander umsetzt.

epd-Gespräch: Oliver Gierens