"Himmlisches Theater" im Kloster Neuzelle
Die Restaurierung der Passionsdarstellungen steht vor dem Abschluss
Neuzelle (epd).

Ein geflügelter Engel fällt Abraham in den Arm und hält ihn davon ab, seinen gefesselten Sohn Isaak zu töten und auf Gottes Befehl zu opfern. Etwas zurückgesetzt harrt Jesus mit Dornenkrone und gebundenen Händen aus, verspottet und verhöhnt als machtloser „König der Juden“ kurz vor der Kreuzigung durch die römischen Herrscher. Die Figuren aus der Szene „Dornenkrönung Jesu“ sind Teil der rund 275 Jahre alten Neuzeller Passionsdarstellungen und derzeit in einem eigens dafür geschaffenen Museum des Klosters in Brandenburg zu sehen.

Die Dornenkrönungsszene ist eine von 15 aus fünf verschiedenen Bühnenbildern aus dem 18. Jahrhundert, die einst zur Passionszeit vor Ostern in dem damals katholischen Kloster gezeigt wurden. In pastellartig gedämpften Farben, viel Beige und Ocker, etwas Rot und Blau, wird in dem barocken Figurentheater die Bibel zusammengefasst, im Mittelpunkt steht die Leidensgeschichte Jesu.

Vor fast 25 Jahren haben 2001 die ersten Restaurierungsarbeiten an den Kunstschätzen begonnen. Seitdem wurden die Farben vorsichtig erneuert und Holzschutzmittelgifte aus DDR-Zeiten entfernt. Bis zum Jahresende sollen die Arbeiten abgeschlossen werden.

Einer, der sich darüber besonders freut, ist Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg. „Den Kulissen ging es noch nie so gut wie heute“, sagt er. Durch das vor zehn Jahren eröffnete Passionsmuseum werde es auch möglich gemacht, den Kunstschatz wieder als „großartiges Raumkunstwerk“ zu erleben, betont er. Jeweils zwei Szenen werden dort gleichzeitig präsentiert. Der nächste Wechsel ist zum November geplant.

Die Neuzeller Passionsdarstellungen, die auch viele Bibelverse zitieren, gelten als Missionsprojekt aus der späten Zeit der Gegenreformation. Vor allem wegen ihres Wortreichtums könnten sie auch „als Bilderpredigt päpstlicher Propaganda verstanden werden“, die gegen reformatorische Ideen und aus katholischer Sicht „schädliches aufklärerisches Gedankengut“ gerichtet gewesen sei, sagt der Landeskonservator. Doch wie die Theaterkulissen genau genutzt wurden, ist noch nicht vollständig erforscht.

Seit dem 16. Jahrhundert wurden in der Karwoche vor dem Osterfest und zur Osterliturgie vor allem in Süddeutschland und im Alpenraum Altar- und Theaterarchitekturen in Kirchen aufgestellt, die den Leidensweg, die Grablegung und die Auferstehung Jesu Christi illustrieren sollten. Diese Heiligen Gräber oder Ostergräber wurden nicht für Passionsspiele genutzt, sondern dienten ausschließlich der Verinnerlichung, der Betrachtung und dem Gebet.

Für die damaligen Gläubigen dürften die lebensgroßen Neuzeller Kulissen in einer viel langsameren Zeit als heute, in der kaum jemand lesen konnte, überwältigend gewesen sein, sagt Brigitte Faber-Schmidt vom brandenburgischen Kulturministerium. Sie seien ein „einzigartiges Erbe“ in einem „barocken Juwel“ Brandenburgs.

Nach derzeitigem Forschungsstand sei das Neuzeller Heilige Grab mit 14 Passionsszenen und einer Auferstehungsszene „europaweit ein Unikat“, sagt Drachenberg: „Der Reichtum an fast lebensgroßen Figuren und Figurengruppen ist einmalig.“ Von einst 240 großformatigen Leinwand- und Bildtafeln des monumentalen Barocktheaters seien noch 220 Einzelteile der fünf Bühnenbilder erhalten. Weltweit gebe es nur noch 30 solcher Kulissenheiliggräber aus dem 18. Jahrhundert, aber eine deutlich größere Anzahl aus dem 19. Jahrhundert.

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Von Yvonne Jennerjahn (epd)