Steinmeier fordert neuen Schwung für Erbe der friedlichen Revolution
Berlin (epd).

Zum Tag der Deutschen Einheit hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu aufgerufen, die mit der friedlichen Revolution für Ostdeutschland erkämpfte Demokratie stärker zu verteidigen. Mancher habe die Zeit nach der Wiedervereinigung als Entwertung erworbener Fähigkeiten oder Verlust des gesellschaftlichen Status erlebt und sich zurückgezogen, sagte Steinmeier am Dienstag in Berlin. Der „Schwung der friedlichen Revolution“ und die Bereitschaft, für die freiheitliche Ordnung einzustehen und sie mitzugestalten, seien dadurch verloren gegangen.

Gerade heute, wo die freiheitliche Demokratie wieder angegriffen werde, würden jedoch dieser Schwung, die Aufmerksamkeit und der Einsatz der Bürgerinnen und Bürger gebraucht, sagte Steinmeier. Das Erbe des 1949 in Westdeutschland in Kraft getretenen Grundgesetzes und der friedlichen Revolution in der DDR im Jahr 1989 müssten jeden Tag aufs Neue gelebt und verteidigt werden.

Steinmeier überreichte am Dienstag im Berliner Schloss Bellevue an 13 Frauen und 15 Männer Verdienstorden der Bundesrepublik. Traditionell ehrt das Staatsoberhaupt vor dem 3. Oktober Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise für Demokratie, Verständigung und den gesellschaftlichen Dialog einsetzen.

Zu den Geehrten gehörten in diesem Jahr der Historiker Dan Diner, der Kabarettist Gerhart Polt, die frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, Fußballtrainer Jürgen Klopp und Lorenzo Annese, der 1961 der erste italienische Gastarbeiter im Volkswagenwerk war und 1965 zum ersten ausländischen Betriebsrat in der Bundesrepublik gewählt wurde. Weitere Auszeichnungen wurden unter anderem an den Schriftsteller Lutz Seiler, den Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, Meron Mendel, und die Publizistin Saba-Nur Cheema vergeben. Mendel und Cheema wurden für ihr Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus geehrt.

Auch die Schriftstellerin Barbara Honigmann, die Welthungerhilfe-Präsidentin Marlehn Thieme, die auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehörte, und der Musiker Toni Krahl wurden mit Verdienstorden ausgezeichnet. Krahl, der als Frontmann der DDR-Rockband City bekannt wurde und sich 1989 in der Opposition gegen die SED engagierte, wird am 3. Oktober 75 Jahre alt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) würdigte den nördlich von Berlin lebenden Künstler am Dienstag als „Mutmacher, der mit seiner Musik seinen Fans schöne Stunden und nachdenkliche Momente bereitet“.

Woidke betonte, Krahls Musik habe sein „Leben begleitet und bereichert, so wie das Leben vieler Brandenburgerinnen und Brandenburger“. Das Stück „Am Fenster“ sei ein Meisterwerk, das zu seinen „absoluten Top Ten“ gehöre, betonte der Ministerpräsident in Potsdam. Die Texte des Musikers hätten „die Gedanken vieler Menschen in Poesie umgesetzt“. In der Würdigung zur Verleihung des Bundesverdienstordens hieß es, als Rocklegende habe Krahl in der DDR „das Lebensgefühl eines ganzen Landes besungen“. Als Künstler sei es ihm dabei stets ein persönliches Anliegen gewesen, für Menschenrechte und Toleranz einzutreten.