Rund 700 Menschen haben laut Polizei am Dienstag mit einer Demonstration in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) an den vor 20 Jahren in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Asylbewerber Oury Jalloh erinnert. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ als Veranstalterin sprach von rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Demonstration führte vom Dessauer Bahnhofsvorplatz durch die Innenstadt und sollte am Abend mit einer Kundgebung beendet werden.
Bereits am Vormittag hatten sich laut Polizei 16 Personen, darunter Dessau-Roßlauer Stadträte und Vertreter des Multikulturellen Zentrums der Stadt, vor dem Dessauer Polizeirevier versammelt. In dem Gebäude starb der Mann aus Sierra Leone am 7. Januar 2005, nachdem er zuvor festgenommen worden war. Er verbrannte in einer Polizeizelle im Keller des Reviers fixiert auf einer angeblich feuerfesten Matratze.
Die Todesumstände gelten in dem Fall bis heute als ungeklärt. Nach offizieller Darstellung soll Jalloh die Matratze, auf der er starb, selbst entzündet haben. Mehrere Gutachter äußerten allerdings Zweifel an dieser Version. Die Organisatoren der Demonstration gehen davon aus, dass der Mann getötet wurde und werfen der Polizei Mord vor. Im Jahr 2012 wurde ein Dienstgruppenleiter der Polizei wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit einer Verfassungsbeschwerde wollte der Bruder des Opfers, Saliou Diallo, erreichen, dass erneut in dem Fall ermittelt wird. Auch er geht laut Unterstützerkreis von einer vorsätzlichen Tötungsabsicht aus. Die Beschwerde wurde vor rund zwei Jahren abgewiesen. Laut der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ wurde am 3. Juli 2023 eine weitere Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Diese sei ebenfalls abgewiesen worden, da die viermonatige Abgabefrist nach der ablehnenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um einen Tag überschritten worden sei.
Die Initiative forderte, die mittlerweile abgeschlossenen Ermittlungen im Fall Jalloh wieder aufzunehmen, sobald neue Beweise vorliegen. Sie bezeichnete die Tötung des Manns aus Sierra Leone als Mord, der nicht verjähre.
Auch in einem weiteren Fall gebe es neue Hinweise, hieß es. Im Dezember 1997 war der Maschinenbauingenieur Hans-Jürgen Rose in Dessau betrunken aufgegriffen und in das gleiche Polizeirevier gebracht worden. Wenige Stunden später wurde Rose schwerverletzt unweit des Reviers gefunden und erlag seinen Verletzungen. Auch diese Todesumstände sind bis heute ungeklärt. Dieser Fall sei Teil eines „Oury-Jalloh-Komplexes“, der aufgelöst und dessen Täter zur Verantwortung gezogen werden müssen, betonte die Initiative.
Die Polizei war am Dienstag in Dessau-Roßlau nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot im Einsatz. Vor Ort waren unter anderem Einsatzkräfte der sachsen-anhaltischen Landesbereitschaftspolizei sowie Polizeikräfte aus Berlin und der Bundespolizei. In der Innenstadt von Dessau kam es zu Verkehrseinschränkungen.