Kraft der Erinnerung
Über Dresdens Umgang mit dem Jahrestag der Zerstörung 1945
Dresden (epd).

Schmerzhafte Erfahrungen brauchen sensible Aufarbeitung: Die Dresdner Zivilgesellschaft und Institutionen engagieren sich seit vielen Jahren für eine angemessene Erinnerungskultur zu den Ereignissen im Zweiten Weltkrieg. Bei Luftangriffen der Alliierten im Februar 1945 starben mindestens 25.000 Menschen, nahezu das komplette historische Zentrum wurde zerstört.

Die Stadt an der Elbe war keine „unschuldige Kunstmetropole“ - wie früher kolportiert wurde - sondern auch ein Täterort des Nationalsozialismus. Dresden war ein bedeutendes Zentrum der Kriegsindustrie. Tausende Menschen mussten Zwangsarbeit leisten. Zudem spielte die Stadt eine wichtige Rolle in der NS-Rassenideologie.

So gesehen bewegt sich der jährliche Dresdner Kriegsgedenktag am 13. Februar längst zwischen Mahnen und Erinnern, zwischen Tätern und Opfern. Flankiert wird das Bemühen um ein vielfältiges Erinnern jedoch regelmäßig von Neonazi-Demonstrationen rund um den Gedenktag. Auch in diesem Jahr haben Rechtsextreme einen Aufmarsch angekündigt. Gegenproteste werden erwartet.

Doch 80 Jahre nach Kriegsende gibt es vor allem zahlreiche Gesprächs- und Begegnungsformate. Unter anderem werden Schülerinnen und Schüler am 13. Februar im Dresdner Rathaus zum Umgang mit Geschichte debattieren.

Die Stiftung Frauenkirche Dresden und die Konrad-Adenauer-Stiftung luden am Donnerstagabend zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Erinnerung in Gefahr?“ ein. Die Passauer Professorin für politische Theorie, Barbara Zehnpfennig, betonte in der Debatte: „Ein Leben ohne Erinnerung an die Vergangenheit ist nicht möglich.“ Existenziell aber sei, aus Fehlern zu lernen, das sei auch eine Funktion der Erinnerung.

„Wir tragen nicht die Schuld als Nachkommen, aber wir haben die Verantwortung übernommen“, sagte Zehnpfennig mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg, der von Deutschland ausging. Regina Fuhrmann von der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft sieht Chancen, junge Menschen mit konkreten Rechercheprojekten in ihrem Umfeld zu erreichen. Als Beispiele nannte sie die NS-Verstrickung von Firmen oder Fußballplätze, auf denen sich früher Zwangsarbeiterlager befanden. Ronny Heine von der Konrad-Adenauer-Stiftung sagte: „Erinnerung ist nicht in Gefahr, wenn wir uns dem Thema stellen und darüber diskutieren.“

Vor und in der Dresdner Frauenkirche stehen derzeit Dutzende, etwa zwei Meter hohe Porträts von Überlebenden der NS-Verfolgung. Unübersehbar zeigt die Ausstellung „Gegen das Vergessen“ Gesichter von Frauen und Männern. Es sind Bilder des deutsch-italienischen Fotografen Luigi Toscano. Sie rücken persönliche Geschichten in den öffentlichen Raum.

Auch ein Bild der gebürtigen Dresdnerin und Holocaust-Überlebenden Renate Aris ist darunter. Nach den Luftangriffen auf Dresden vom 13. bis zum 15. Februar 1945 entging sie der Deportation ins Konzentrationslager Theresienstadt. Auch ihre Mutter und ihr Bruder überlebten. „Der Tag, an dem die wunderschöne Frauenkirche in Schutt und Asche fiel, war unser Tag der Rettung“, sagte Aris am Donnerstagabend.

Die 89-Jährige erzählt an Schulen von ihren Erlebnissen als Jüdin in der NS-Zeit. Sie mahnt: „Wir haben die Pflicht dafür zu sorgen, dass wir alle in Frieden zusammenleben und dass so etwas nicht wieder passiert.“ Sie wünsche sich auch, „dass die Stimmen der Kirchen lauter würden“, wenn es darum geht, Frieden, Demokratie und die Religionsfreiheit zu verteidigen.

Laut könnte es zumindest am Sonntag in der Dresdner Kreuzkirche bei der Uraufführung des neuen Werkes von Sven Helbig, „Requiem A“, werden. Helbig will keine historischen Zusammenhänge deuten, sondern einen Raum für Trauer und Versöhnung schaffen. Das „A“ im Werktitel steht für Anfang und Neubeginn.

Laut Dresdner Kreuzchor, der das Werk erstmals zur Aufführung bringt, ist es „ein neues Requiem, das nicht einfach eine Tradition fortführt“. Schlüsselwörter in den Texten, die der Komponist zum Teil selbst verfasste, sind „Aufbruch“, „Asche“ und „Atmen“. Das Werk soll eine Botschaft des Miteinanders senden. Laut Helbig muss dafür „der Blick zurück und gleichzeitig nach vorn gelingen“.

Von Katharina Rögner (epd)