Hilfsorganisationen warnen vor einer weiteren Zuspitzung der humanitären Lage in der Ukraine. Der Rückzug der USA auch aus der humanitären Hilfe sei „ein schwerer Schlag“ für viele Projekte und schon jetzt vielerorts spürbar, sagte der Leiter des Kiewer Büros der Diakonie Katastrophenhilfe, Andrij Waskowycz. So hätten Hilfsorganisationen mit US-finanzierten Projekten etwa im Gesundheits- oder Bildungsbereich schon jetzt Tausende Mitarbeiter entlassen müssen, fügte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) hinzu.
Verschärft werde die Situation durch die militärische Lage. Dies könnte in absehbarer Zeit zu neuen Fluchtbewegungen innerhalb des Landes, aber auch bis nach Westeuropa führen, warnte Waskowycz. Nach drei Jahren Krieg seien die Ressourcen vieler Ukrainerinnen und Ukrainer inzwischen „vollkommen aufgebraucht“. Waskowycz sagte: „Der Bedarf nach Hilfe wächst immer noch, aber die Mittel werden geringer.“
Nach seinen Worten sind gegenwärtig zehn Millionen Ukrainer aller Altersgruppen auf psycho-soziale Unterstützung angewiesen. Sie hätten Traumata, Gewalterfahrungen oder seien in anderer Weise von den Kriegsfolgen beeinträchtigt. Allein 3,7 Millionen Menschen seien innerhalb der Ukraine geflüchtet. Ständig kämen neue durch die sich verschiebende Frontlinie hinzu: „Wir haben große Probleme mit den Hilfeleistungen in der Nähe der Frontlinien, weil es dort zu gefährlich ist.“ Waskowycz warnte im Gespräch mit dem epd vor einer Situation, bei der aufgrund zurückgehender Mittel bei Hilfsprojekten priorisiert werden müsse.
Die gegenwärtige weltpolitische Lage mit dem Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Außenpolitik bezeichnete der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe in Kiew als weitere, schwere Bürde: „In einer ohnehin angespannten Lage kommen neue Herausforderungen hinzu.“ Die neue Unsicherheit sei allerorten spürbar: „Viele Binnenflüchtlinge fragen sich inzwischen, ob sie an ihrem neuen Aufenthaltsort noch sicher sein werden.“
Nach Waskowycz' Worten ist die humanitäre Hilfe in der Ukraine dabei kein Selbstzweck: „Sie hilft bei der Stabilisierung des angegriffenen Landes.“ Gebe es Einschnitte bei der Hilfe, sinke die ohnehin strapazierte Belastungsgrenze der Menschen im Kriegsalltag. Auf der Strecke blieben dann die Schwächsten und Ärmsten, mit weitreichenden Folgen auch für die Zukunft des Landes, warnte Waskowycz.