Deutschland und Thüringen stehen aus Sicht der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora vor einem geschichtskulturellen Wandel. Es schwinde das Bewusstsein dafür, wie fundamental die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur für die demokratischen Strukturen sei, sagte Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner am Donnerstag in Weimar. Dies habe Auswirkungen auf das diesjährige Gedenken an die Befreiung der Konzentrationslager in Thüringen im April vor 80 Jahren ebenso wie auf das Jahresprogramm der Stiftung.
An dem diesjährigen Staatsakt des Freistaats Thüringen am 6. April werden laut Wagner nur noch knapp über ein Dutzend Überlebende aus acht Staaten teilnehmen. Die Festrede in der Weimarhalle halte Altbundespräsident Christian Wulff. Anschließend werde es verschiedene Gedenken für die unterschiedlichen Opfergruppen auf dem Lagergelände geben, darunter auch ein interreligiöses Gedenken der christlichen Kirchen und der jüdischen Landesgemeinde unter Leitung des Bischofs der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer.
Zur Gedenkfeier im ehemaligen Konzentrationslagers Mittelbau-Dora am 7. April wird als Überlebender nur Albrecht Weinberg erwartet, der auch die Gedenkrede halte. Nach Aussage des Gedenkstättenleiters Andreas Froese haben zudem zahlreiche Nachkommen und Verwandte der Opfer von damals ihre Teilnahme zugesagt. Dies zeige, dass trotz des Endes der Zeitzeugenschaft die Erinnerungsarbeit weiterhin wichtig bleibe.
Ergänzend werden unter anderem Rundgänge zu historischen Orten, Theater- sowie Konzertaufführungen, eine Ausstellung zu Szenen aus den befreiten Lagern und künstlerische Installationen angeboten.
Parallel zur Vorbereitung der Gedenkfeiern arbeitet die Stiftung weiter an den für dieses Jahr vorgesehenen Projekten. So wird laut Wagner das im vergangenen Jahr gestartete Internetportal „Geschichte statt Mythen“ laufend erweitert. Anhand einer interaktiven Karte von Thüringen soll der Nutzer zu Orten geführt werden, zu denen rechtspopulistische oder rechtsextremistische Kreise geschichtsrevisionistische Inhalte wahrheitswidrig verbreiten. Die Stiftung hinterlegt auf der Karte jeweils die tatsächlichen historischen Fakten und Zusammenhänge. Wagner kündigte an, dass die Karte voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte auch um Orte außerhalb des Freistaats erweitert wird.
Zudem erstellt die Stiftung in diesem Jahr eine Karte im Internet mit allen Standorten der 140 Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Das System reicht von Köln bis nach Sachsen, sagte Wagner. Diese Außenlager seien in der Vergangenheit nicht angemessen dargestellt worden. Geplant sei, zu jedem Standort die grundlegenden Informationen, die Täterinnen und Täter und die heutige Nutzung zu benennen. „Manche Standorte sind gänzlich in Vergessenheit geraten“, sagte der Stiftungsdirektor.
Ebenfalls im Internet angebotene Bildungsmaterialien ermöglichten es, sich im Unterricht mit den Lagern vor der eigenen Haustür umfassend auseinanderzusetzen. Die könne für etwa eine Klasse in Köln wertvoller als ein mehrstündiger Besuch in Buchenwald sein.